Interview mit Anton Kokl
Ein Spielen mit den Farben
Treffen an einem Montag mit Anton Kokl im fürs Publikum geschlossenen Museum Wiesbaden. Stille umfängt uns. Wir steuern „Inner Colours“ an, die von Valerie Ucke kuratierte Schau mit den außergewöhnlichen Werken des Malers, den Kunstexperten auch Forscher und Erfinder nennen. Mit Interferenzfarben, wie man sie in Autolacken, Kunststoffen und Kosmetika findet, schafft er faszinierende Bildansichten. In riesigen Formaten, die hohen Körpereinsatz von ihm erfordern. Aber auch in kleineren Bildwerken, von denen man am liebsten eines mit nach Hause nehmen möchte …
Herr Kokl, Sie wohnen und arbeiten in Mainz. Wie gefällt Ihnen unser Museum Wiesbaden?
Ich als Mainzer sehe das Museum Wiesbaden nahezu als idealen Ort. Meine Arbeiten mit den Interferenzfarben sind bei der Betrachtung sehr abhängig von den Lichtverhältnissen. Oft habe ich vor Ausstellungen die Befürchtung, dass sie nicht so ideal sind. Aber hier in Wiesbaden bin ich zufrieden.
Sie hatten, so hörte ich, darum gebeten, auch die Kuppelfenster offen zu halten. Schadet zu viel Licht nicht den Werken?
Normalerweise kann das in der Tat schaden. Das ist aber bei meinen Bildern nicht der Fall. Die Interferenzfarben sind hier unempfindlich. Ich lege größten Wert auf Tageslicht. Das gilt auch für mein Atelier.
Ehe wir über Ihre ganz besondere Arbeitsweise sprechen, noch ein Wort zu unserem Museum der Kunst und Natur: War es für Sie auch schon interessant vor Ihrer eigenen Schau „Inner Colours“?
Ja, immer wieder. Hier, in Wiesbaden, werden ja tolle zeitgenössische Künstler ausgestellt. Man denke nur an die Jawlensky-Preisträger, zuletzt Frank Stella; oder auch an die Werke von Alexej von Jawlensky, von denen es so viele hier zu sehen gibt. Die gesamte Klassische Moderne gefällt mir, aber auch die anderen Abteilungen gefallen mir.
Und die Natur?
Aber ja, in der Natur gibt es die Verbindung mit den Interferenzfarben. Diese kommen in ihr eher punktuell vor. Wegen der Nähe zur Natur fand ja auch eine Führung durch meine Ausstellung zusammen mit Susanne Kridlo, Kuratorin in den Naturhistorischen Sammlungen, und mit Kuratorin Valerie Ucke statt. Ich traf auf ein aufmerksames, geschultes Publikum. Im Rahmen der „Ästhetik der Natur“ würde ich gerne noch mehr über Sinn und Zweck der natürlichen Interferenzfarben erfahren. Was mir übrigens auch sehr gut gefallen hat, war der Workshop für Kinder zum Thema Interferenzfarben. Und ebenso war das Künstlergespräch mit Lea Schäfer sehr gelungen.
Für BetrachterInnen Ihrer Werke, die sich nicht so gut auskennen mit diesen Interferenzfarben, erklären Sie bitte kurz und knapp, wie diese wirken.
Sie haben zum einen diesen Perlmuttschimmer und sie unterscheiden sich von den normalen Künstlerfarben dadurch, dass sie sehr lichthaltig sind. Der besondere Effekt: Je mehr Licht, desto mehr reflektieren sie in den Augen des Betrachtenden. Auf weißem Grund verschwinden sie fast, auf dunklem Grund zeigen sie sich erst …
Da passt ja die Beschreibung unseres Direktors Andreas Henning gut. Er sagte, dass man sich vor dieser Malerei bewegen und sie erlaufen muss …
Ohne Hektik sollte man sich bewegen, nicht nur von einem Standpunkt schauen, man kann jedes der Bilder so oder so betrachten. Bei einem Ölbild ist es eher unwesentlich, ob man einen halben Schritt nach links oder nach rechts geht. Übrigens, ich bin der Meinung, dass es nicht unbedingt eine große Einführung braucht.
Seit 30 Jahren beschäftigen Sie bereits mit den „Inner Colours“. Tut sich immer wieder Neues auf?
Ich habe hier in den verschiedensten Bereichen gearbeitet: Siebdruck, Lithografie, Tiefdruck, Holzschnitt geht auch, aber das mache ich nicht so oft. Auch Raumkonzepte sind dabei. So ist eine Reihe von Werkgruppen entstanden.
Von denen noch bis 24. September Bilder aus drei Werkgruppen in Wiesbaden zu sehen sind …
Ja, die fünf kleinen Stroke-Bilder, die Großen, „IF-Flying White“, und die Gum-Print-Reihe.
Auf der Museumswebsite heißt es, dass Ihre Bildsprache sich im Spannungsverhältnis von Formaufbau und Formauflösung bewegt, wobei sie immer stärker auf spontane, vorbewusste Malbewegung setzen. Wie muss man sich das vorstellen und was bedeutet das von Ihnen geprägte Wort „vorbewusst“ in diesem Zusammenhang?
Die Interferenzfarbe ist immer die letzte Schicht, die gestische Malerei soll den Zustand der Absichtslosigkeit schaffen, in einem Zug, ohne neu anzusetzen bin ich dann aktiv. Es kommt der Moment, wo die Farbe sich selbst den Weg bahnt. Sie hat noch eine Eigenmächtigkeit. Ich will keine mentalen Denkprozesse. Auge, Hand, Geste eines Malers sind eng verknüpft. Spontan will ich Formreste hervorkitzeln, trotzdem schleicht sich eine gewisse Bildordnung ein …
Sie nennen das aber nicht so gerne Experimentieren, wie sie einmal sagten …
Nein, ich nenne es eher Spielen mit Farben – ohne ein ausgedachtes Konzept. Ausprobieren, etwas Neues finden, Zufälle akzeptieren.
Und immer wieder mit einem faszinierenden Ergebnis! Wir Freunde freuen uns auf den Atelierbesuch bei Ihnen! Vermutlich ein großer Raum?
Nein, kein riesiges Atelier mehr. Ich musste umziehen. Aber natürlich ist es ein Atelier mit Tageslicht. Die großen Bilder musste ich leider woanders unterbringen.
Zum Schluss, woran arbeiten Sie denn zurzeit? Sie erwähnten ein Projekt „Kunst am Bau“.
Es ist eine Wandarbeit – mit Interferenzfarben. Und zwar am Bürgerhaus in Mainz-Hechtsheim.
Darf ich noch einen Dank formulieren?
Ja gerne!
Er gilt der Kuratorin Valerie Ucke und der gesamten Crew im Museum Wiesbaden für ihre wunderbare Unterstützung!
Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost
Zitate zu Antons Kokls Werk
„Die meist großformatigen Gemälde finden mit ihrer gestischen Abstraktion und eindringlichen Farbwirkung ihren zutreffenden Kontext im abstrakten Expressionismus, einem der großen Sammlungsschwerpunkte des Museums Wiesbaden.“
Dr. Andreas Henning, Direktor
„Kokls Malerei, so lässt sich resümieren, zeichnet sich durch das Zusammentreten von reflexivem Konzept und unmittelbarer Hingabe an die Materialien und das Tun der Malerei aus. In seinen Bildern fallen Praxis und theoria in eins …“
Professor Dr. Gregor Wedekind, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
„Als Künstler, Forscher und Erfinder hat Anton Kokl zu neuen Wegen in der Malerei gefunden. Ein halbes Jahrhundert hat er sich ihr gewidmet, begleitet von intensiven Phasen, in denen er sich mit der Druckgrafik befasste. (…) Auf eine neue Art und Weise gelingt es Kokl, das wechselvolle Spiel der Farben und des Lichts der Natur wahrhaftig auf den Bildträger zu übertragen.“
Lea Schäfer, Kuratorin im Museum Reinhard Ernst, vormals wissenschaftliche Mitarbeiterin im Museum Wiesbaden. Ideengeberin für die Kokl-Schau.
„Es ist spannend, wie einnehmend und zugleich auffordernd die intensive Farbwirkung ist, die von Deinen Werken ausgeht. Man verspürt die Notwendigkeit, sich insbesondere vor den großen Formaten zu bewegen, da sie sonst nicht in Gänze erfahrbar scheinen …“
Valerie Ucke, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin der Ausstellung im Gespräch mit Anton Kokl
Zur Person
Anton Kokl wurde 1949 in Jugoslawien als Deutscher geboren. Die Familie flüchtete 1956 nach Deutschland, wo sie zuletzt in Speyer lebte. Sein Studium der Bildenden Kunst absolvierte Anton Kokl in Mainz an der Johannes-Gutenberg-Universität. Zwölf Jahre lang, bis 2017, war er an der Kunsthochschule Mainz als Künstlerischer Leiter der Druckgrafik tätig. Mehrfach ist er mit Preisen ausgezeichnet worden, zweimal mit dem Lehrpreis der Gutenberg-Universität. Unter anderem an den Universitätskliniken Mainz und Berlin findet sich Kunst am Bau von Anton Kokl. Seit 1977 finden regelmäßig Ausstellungen mit seinen Arbeiten statt. (isa)