Interview mit Hans-Peter Gresser

Und dann den „Maßanzug bauen“

„Den passenden Maßanzug bauen“, so überschreibt der immer noch aktive Architekt Hans-Peter Gresser (78) sein Vorwort zum Buch „Hausaufgaben“. Und betont, dass das vielfältige Schaffen seines Büros „geprägt ist von dem Bemühen, eine angemessene Lösung für die jeweilige Aufgabe und den jeweiligen Ort zu finden. Angemessen, das heißt Maß zu nehmen, einen Maßstab zu bilden und zu setzen und schließlich hieraus den passenden Maßanzug zu bauen“, so drückt Gresser es aus. Ein schönes Bild! Sein im Wiesbadener Römerweg-Verlagshaus erschienenes „Mammut-Buch“ wurde von Alexandra M. Repp konzipiert und gestaltet. Sie ist Fotografin, arbeitet u. a. auch an bewegten Bildern, Grafik und an Gestaltungen wie etwa Firmenbroschüren oder eben am 640-Seiten-Buch mit Hans-Peter Gressers „Hausaufgaben“.

Die Architektur ist sein Leben: Hans-Peter Gresser in seinem Büro in der Nerobergstraße. Hier gab er für die Freunde des Museums ein Interview. (Foto: Alexandra M. Repp)

Peter, „Hausaufgaben“, so lautet der schlichte Titel für das mehr als 600 Seiten umfassende und zirka drei Kilo schwere Buch über dein Architektenleben. Am Donnerstag, 28. September, 19 Uhr, stellst du es im Vortragssaal des Museums vor. Was erwartet die Gäste, die zuhören und zuschauen?

Ich möchte mit ausgewählten Projekten eine kurze Übersicht darüber geben, was man in dem Buch findet, es ist also eine sehr reduzierte Form der „Hausaufgaben“.

Bitte sage kurz etwas zur Gliederung der „Hausaufgaben“ …

Das Buch ist nicht simpel gegliedert, wir wollten nichts aufzählen. Es geht beispielsweise ums „Vorgefundene“, ums „Einfügen“ oder etwa ums „Wiederherstellen“.

Bleiben wir mal beim „Einfügen“, da nennst Du das Jagdschloss Platte als Beispiel. Ein Projekt von 2001.

Ja, da hieß es Einfügen in den historischen Kontext.

Ich erinnere mich an heftige Diskussionen …

Das stimmt, es war zunächst sehr mühselig, als ich den gläsernen Schirm für das Jagdschloss vorstellte. Ein städtischer Denkmalpfleger sprach strikt dagegen. Wer mir aber sehr behilflich war, das war der Landesdenkmalpfleger, Professor Dr. Weiß. Der sagte überzeugt: „So machen wir das“.

Und so wurde die Ruine auf der Platte zu einer sehr gefragten Event-Location. Wie lief eigentlich die Finanzierung?

Da hat sich außer der Stadt und der Landesdenkmalpflege ja die Haub-Zais Stiftung sehr eingebracht und viel zur Verwirklichung beigetragen.

Ein spiritueller Ort, der sich in die Natur einfügt: Die Feldkapelle im Tennelbachtal. (Foto: Alexandra M. Repp)

„Einfügen“, das war wohl auch im Tennelbachtal angesagt, wo die Feldkapelle im Auftrag eines Privatmanns mit Stiftung entstanden ist. Ein wunderbarer Ort zum Innehalten. Ihm ist ein großes Kapitel im Buch gewidmet …

Hier, an einem Wegekreuz, vor den Fichten, ging es ums Einfügen in die Topografie. Aber es sollte nicht ein Haus mit Kreuz entstehen. Über eine Art Passionsweg wollte ich zur Kapelle führen, unter einem liegenden Kreuz hindurch – ein Kreuz, wie wir es alle auf den Schultern tragen. Der Cortenstahl dieses Passionskreuzes passt sich in die Umgebung ein. Die ganze Schöpfung, wie sie sich an diesem Ort abbildet, wirkt in die Kapelle mit dem gläsernen Kubus hinein.

Gab es hier auch Widerstände?

Ja, auch hier wurden zunächst bei der Stadt Bedenken geäußert. Aber nicht zuletzt der damalige Oberbürgermeister, Dr. Helmut Müller, setzte sich dafür ein, dass die Kapelle im Feld realisiert werden konnte.

In 40 Jahren architektonischen Schaffens kommt ja viel Spannendes zusammen. Recht außergewöhnlich sind auch manche Villen, die du entworfen hast. Wie muss man sich da das Zusammenspiel mit dem Bauherrn, der Bauherrin, vorstellen?

Zunächst mal ist ein Grundstück da. Und es gibt ein Raumprogramm, das der Bauherr vorgibt. Da sitze ich mit meiner engsten Mitarbeiterin zusammen und wir beginnen anhand der Puzzleteile, die wir haben, zu scribbeln. Da darf es zunächst keinen Zeitdruck geben. Der sehr angesehene, schon verstorbene Architekt Arno Lederer hat diese Phase „das freie Kritzeln“ genannt. Das trifft es gut. Wir schauen natürlich auf Umgebung, Topografie, Baurecht, wenn wir ein Haus erfinden. Natürlich gibt es immer wieder Gespräche mit dem Auftraggeber, bis ein gewisser Reifegrad erreicht ist – dann kann der Bauantrag gestellt werden.

Das „freie Kritzeln“, also das Skizzieren, kann man ja auch im Buch „Hausaufgaben“ verfolgen, dem Skizzieren – auch mit Ansichten aus fernen Ländern – ist viel Raum gewidmet. Eine frühere Kollegin von mir schrieb im „Wiesbadener Kurier“, dass du gut und gern deine Freihandzeichnungen in Kunstgalerien ausstellen könntest.

Es ist schade, dass die Leute heutzutage das „Head Down Syndrom“ haben, also nur noch mit dem Handy zugange sind und nur noch am Computer zeichnen.

Wie ein Mandala: Das South India Museum in Kerala. (Foto: Hans-Peter Gresser)

Auch eine Schule in Marokko und ein Museum in Indien hast du gebaut bzw. entworfen. Bleiben wir mal beim South India Art Museum in Kerala …

Das ist eine längere Geschichte. Nur kurz: Der Bauherr, ein Deutscher, wollte für seine Sammlung von Bronzestatuen (Prozessionsinstrumente) und Münzbehältern aus Kupfer ein Museum haben. Es sollte gleichzeitig zum Meditieren einladen. Ein spannender Auftrag. Dieses Museum ist zur Hälfte im Wasser gebaut – wie ein Mandala, Mandala bedeutet im Sanskrit „Kreis“.

Du bist Gründungsmitglied bei den Freunden des Museums Wiesbaden. In welche Abteilung geht der Architekt, der ja auch ein Künstler ist, am liebsten im Wiesbadener Haus der Kunst und Natur?

Am liebsten zu den Jawlensky-Werken. Ich liebe übrigens auch das Norton Simon Museum in Pasadena, wo es ebenfalls eine große Jawlensky-Sammlung gibt.

Und die Naturhistorische Abteilung bei uns? Der Bezug zur Natur ist ja, wie man in deinen „Hausaufgaben“ lesen kann, ein sehr enger.

Ich finde, die „Ästhetik der Natur“ im Wiesbadener Museum ist exzellent dargestellt.

Gibt es ein Projekt, das du gerne in Wiesbaden noch in Angriff nehmen möchtest?

Auf dem Neroberg ein Café neu bauen. Mit den Landschaftsarchitekten Marten und Porlein habe ich damals auch die Mulde – es ist ja eine Spirale – geplant.

Hast du einen Lieblingsort in Wiesbaden?

Ich mag das Walkmühltal sehr, das ist mir seit der Kindheit ans Herz gewachsen. In der Walkmühlstraße war ich zu Hause. In der Walkmühle habe ich auch vier Villen geplant.

Zum Schluss vielleicht noch ein Appell an die Stadtpolitiker?

Beim Bauen nicht so hohe Dichten zulassen!

Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost


Zur Person
Hans-Peter Gresser, Dipl.-Ing. Architekt BDA dwb, ist 1945 in Clausthal-Zellerfeld geboren und in Wiesbaden aufgewachsen. Sein Architekturstudium absolvierte er an der TH Darmstadt. Nach einer Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Günter Behnisch und Tätigkeit als Lehrbeauftragter für Entwerfen an der Technischen Hochschule gründete Peter Gresser 1976 sein Büro in Wiesbaden. Er war u. a. lange im Bund Deutscher Architekten engagiert und er hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u.a. den Schinkelpreis. Für den Glasschirm des Jagdschlosses Platte erhielt er den Staatspreis für Architektur des Landes Hessen.

 

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