Interview mit Jan Baechle
Ein weiterer Glücksfall fürs Museum
Zum zweiten Mal konnte ich dieser Tage ein Interview mit dem Kunstkenner und -sammler Jan Baechle führen. Im ersten Gespräch für die Freunde-Website von 2017 erzählte er folgendes: Als er ins Kuratorium der Freunde des Museums gewählt worden sei, da habe er sich überlegt, was er für den Verein tun könne. Und er kam damals auf eine grandiose Idee, bei der das Museum ihn allzu gern unterstützte – der Depotfrühschoppen, immer am ersten Sonntag im November, wurde eingeführt. 14 Jahre lang ein Highlight im Programm des Förderkreises. Dieses Kapitel wollte der Mann, der am 24. Dezember seinen 80. Geburtstag feiert und den die Aktiven im Museum einen „verlässlichen und wohlwollenden Freund des Hauses“ nennen, nun beenden. Gleichzeitig hat er aber jetzt die gemeinsam mit seiner 2019 verstorbenen Frau Friederike aufgebaute Sammlung des 19. Jahrhunderts dem Museum Wiesbaden überbracht. Die Schau „Exquisit – Kunst des 19. Jahrhunderts: Schenkung Jan und Friederike Baechle“ sollte eigentlich ab nächster Woche zu sehen sein, doch die Corona-Einschränkungen lassen es erneut nicht zu. Das ist traurig. Aber mit Jan Baechle werfen wir schon einmal einen Blick auf die Sammlung und ihre Entstehungsgeschichte. Zu einem späteren Zeitpunkt wird auf der Freunde-Website auch der Kustos der Alten Meister und Kurator zu Wort kommen. Eines sei hier schonmal verraten: Die von Peter Forster herausgegebene und vom Förderkreis gerne unterstützte Publikation zur Ausstellung ist unbedingt lesens- und betrachtenswert. Hier wird dem Sammlerpaar „herausragende Qualität“ mit hessischem Bezug bescheinigt. Die Schenkung sei ein weiterer, großer Glücksfall im Kontext einer geplanten Galerie des 19. Jahrhunderts, bestätigt Direktor Andreas Henning. Lassen wir nun Jan Baechle sprechen.
Jan, wie kam es zum Entschluss, 30 Werke, Ölgemälde des 19. Jahrhunderts und einige aus dem 20. Jahrhundert, dem Museum Wiesbaden zu schenken?
Zunächst einmal bin ich stolz darauf, dass unsere Sammlung Museumsqualität hat und sie die vorhandene Sammlung ausgezeichnet ergänzen kann. Die Museumsexperten waren, als sie die Gemälde bei uns sahen, sehr angetan. Also, Peter Forster fragte mal ganz vorsichtig an. Das war vor etwa zwei Jahren.
Und dann war alles klar?
Nun, wir haben keine Kinder und sonst niemanden, der Interesse an der Sammlung hätte. So haben meine Frau Friederike und ich den Vorschlag mit Vergnügen aufgenommen. In dem Wissen, unsere Bilder werden sorgfältig aufbewahrt und der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Sie verschwinden nicht in privaten Wohnzimmern. Und wenn ein Werk beschädigt ist, dann kümmert man sich. Es besteht ja die Absicht, die Sammlung in die geplante Galerie des 19. Jahrhunderts zu integrieren.
Kustos Forster beschreibt, dass zunächst die Schenkung aus dem Nachlass erfolgen sollte, Du dann aber eines Tages direkt und sofort handeln wolltest und die Bilder „einfach vorbeibrachtest“. Wie muss man sich das vorstellen?
Als wir die ersten Vertragsentwürfe machten, war eine testamentarische Lösung vorgesehen. Dann ist 2019 meine Frau Friederike verstorben. Nach ihrem Tod entschied ich: Jetzt ist die Zeit gekommen, die Sammlung ans Museum zu geben. Und ja, ich habe die Bilder dann selber hingebracht.
Wann hast Du mit dem Sammeln begonnen, und was war denn Dein erstes Bild?
1985 hat es angefangen. Als wir damals von Frankfurt nach Wiesbaden zogen, habe ich meiner Frau eine Ansicht von Kronberg geschenkt, von dem Landschaftsmaler Fritz Wucherer.
Deine Frau Friederike hat Deine Leidenschaft geteilt?
Oh ja! Sie war sehr versiert und sehr kritisch. Das wird auch in einem der Vorworte der Publikation zur Ausstellung erwähnt, das der Kunsthändler Christoph Andreas geschrieben hat. Meine Frau hatte übrigens auch Kunst unterrichtet.
Christoph Andreas – das ist doch der Kunsthändler in Frankfurt, bei dem die Baechles viele Werke erworben haben?
Ja, das ist richtig. Von den 30 Gemälden habe ich 24 in der Kunsthandlung J. P. Schneider jr. am Roßmarkt erstanden. Diese wird von der Familie Andreas geführt. Ich erinnere mich sehr gut an die Beratungsgespräche mit Christoph Andreas, dem heutigen Seniorchef. Sechs Bilder stammen aus Familienbesitz.
Peter Forster sagt in der Publikation zur Ausstellung „Exquisit“, dass das Ehepaar Baechle immer „autonom und ohne Beeinflussung“ gesammelt habe. Also Beratung ja, aber nicht zu viel?
Die Beratungen habe ich immer sehr genossen, sie waren auch sehr lehrreich. Die letzte Entscheidung aber haben meine Frau und ich nach gemeinsamer Beratung immer alleine getroffen.
Bitte nenne beispielhaft drei der Künstler bzw. Bilder, die Dir ganz besonders am Herzen liegen und die wir in der Schenkung kennenlernen werden!
Da muss ich einen Moment nachdenken: Ein Lieblingsbild ist die „Französische Landschaft“ von Peter Burnitz. Aber auch die Bilder von Eduard Bargheer, die wir von meinen Schwiegereltern bekamen, so das „Nordafrikanische Dorf“, gefallen mir besonders. Und dann noch das Damenbildnis in andalusischer Landschaft von Rudolf Gudden, es zeigt die Frau des Malers.
Stimmt es, dass ein Bild in Deinem Elternhaus vom Künstler Wilhelm Steinhausen Dich sehr beeinflusst hat?
Ja, diese Westerwald-Landschaft des Malers Steinhausen von 1860/70 inspirierte mich. Ein faszinierendes Gemälde.
Was fasziniert Dich so sehr an den Arbeiten des 19. Jahrhunderts?
Es ist die Modernität, die die Malerei in dieser Zeit auszeichnet, diese französische Art, die Landschaft zu sehen. Viele französische Landschaftsmaler waren an der Schule von Barbizon am Wald von Fontainebleau bei Paris.
Du hast immer ein Auge auf die Kronberger Malerkolonie gehabt, Dich unter den Künstlern in Hessen umgetan?
Ja, die Kronberger Maler haben mich besonders fasziniert. Ich bin ja in dieser Region aufgewachsen und kenne alle Landschaften hier. Aber es ist natürlich auch die Qualität dieser Malschule, die ist hervorragend. Fritz Wucherer war übrigens der letzte offizielle Vertreter der Kronberger Malschule.
Auch einige Arbeiten aus dem 20. Jahrhundert gehören zur Sammlung, was Roman Zieglgänsberger, Kustos der Klassischen Moderne, sehr erfreut. Wie kam es, dass Du und Deine Frau Euch auch für Ernst Wilhelm Nay interessiert habt – Bilder, die nun eine ideale Ergänzung der Nay-Werke des Museums bedeuten?
Da muss ich sagen: Wir sind „unschuldig“ an der Existenz dieser zwei Werke. Mein Schwiegervater hatte sie Anfang der sechziger Jahre gekauft. Er war wesentlich moderner eingestellt als ich. Erst im Laufe der Zeit lernte ich die Arbeiten von Nay schätzen.
Um welche Gemälde handelt es sich?
Einmal um die „Ostseefischer“ und zum anderen um „Vom Schwarz und vom Weiß“. Ersteres gehört zur Gruppe der Lofotenbilder. Das andere zu den Scheibenbildern.
Zurück ins 19. Jahrhundert: Durch die legendären Depotfrühschoppen im Museum Wiesbaden wissen wir, wie gut Du Dich auskennst und wie anschaulich und gleichermaßen präzise Du Dein Wissen vermitteln kannst. Dennoch möchtest Du jetzt damit aufhören?
Ja, einmal muss Schluss sein. Man muss den Freunden des Museums keine Achtzigjährigen als Referenten zumuten.
Darf ich hier sagen: Es kommt doch nicht auf das Alter an, sondern auf die ebenso kenntnisreiche wie locker vorgebrachte Art des Vortrags … Peter Forster sagt, dass Du Dein „profundes Wissen auf antiakademische und humorvolle Weise“ weitergibst. Du hast den Freunden auf dieser Website schon einmal – vor drei Jahren – im Interview geschildert, wie Du diese tolle Veranstaltung immer vorbereitet hast. Es war wohl eine sehr enge, gute Zusammenarbeit mit dem Museum?
Ja, die Zusammenarbeit war immer toll. Es gehört zu meinen glücklichsten Erfahrungen, mit Menschen aus einer anderen Welt, die ich zuvor nicht kannte, ein freundschaftliches Verhältnis zu entwickeln. So hat mir beispielsweise bei der Vorbereitung des Depotfrühschoppens nicht zuletzt die Bibliothekarin Martina Frankenbach durch das Beschaffen der Literatur unermüdlich geholfen. Die ganzen Jahre waren eine große Bereicherung. Jetzt kann ich dem Museum etwas zurückgeben, nachdem es mir die Möglichkeit für den Depotfrühschoppen immer im November gab. Mein Dank gilt vielen, auch unter anderem der Veranstaltungsmanagerin Suzan Mesgaran, die an den Sonntagen stets zur Stelle war, natürlich Peter Forster und nicht zuletzt den Restauratorinnen. So viele fleißige Hände waren beteiligt.
Was hängt denn jetzt noch zu Hause an Deinen Wänden, nachdem die Schätze des 19. Jahrhunderts und auch einige des 20. Jahrhunderts umgezogen sind?
Wir haben noch einige gute Grafiken der Klassischen Moderne: Picasso, Miro, Toulouse-Lautrec. Und außerdem gibt es Ahnenbilder. Und eine Sammlung mit elf Arbeiten von Paul Strecker (1898–1950), er war ein Großonkel meiner verstorbenen Frau. Er ist in Mainz und Wiesbaden in den Museen vertreten.
Welche Ausstellung in jüngerer Zeit im Museum Wiesbaden hat Dich besonders beeindruckt?
Die Ausstellung „Homecoming“ war natürlich mein Highlight. Ludwig Knaus ist der einzige Wiesbadener Maler seiner Zeit mit internationaler Bedeutung. Er hat die Genre-Malerei begründet. Ein Markstein in der Kunstgeschichte.
Nenne doch bitte mal drei Lieblingsmuseen – neben unserem Wiesbadener Haus.
Das Städel, die Hamburger Kunsthalle und die Kunsthalle Karlsruhe.
Hättest Du noch einen Rat oder auch Wunsch an unseren neuen Direktor Andreas Henning?
Ich wünsche mir sehr einen Anbau mit architektonischer Rücksichtnahme auf das vorhandenen Gebäude und eine Neugestaltung des Innenhofs. Wir brauchen eine gute Idee für die museale Nutzung des Überbaus an der Cafeteria.
Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost