Interview mit Klaus Schader
„Großes Kino“ bei Jawlensky
Roman Zieglgänsberger, Kustos der Klassischen Moderne, nennt die Initiative unseres Förderkreis-Mitglieds Klaus Schader „eine wunderbare Idee“: Sich ganz intensiv ein Jawlensky-Werk aus den Serien Meditationen oder Variationen anzusehen, darin zu versinken und gleichzeitig eigens dafür komponierte Musik zu hören, das ist, sagt der Kustos, „Großes Kino“. Und ergänzt im Gespräch: Die Beschäftigung mit den Arbeiten von Alexej von Jawlensky wird „noch reicher und sinnlicher“. Seit etwa einem Jahr gibt es für sechs Werke des Expressionisten, der, so Zieglgänsberger, ein großer Musikfreund war, kurze Stücke, komponiert von Klaus Schader. Für die Freunde-Website berichtet der Pädagoge, Musiker und Komponist, über sein Projekt. Und: ein weiteres ist gerade in Arbeit. Diesmal hat ihn eine Künstlerin inspiriert: Gabriele Münter. „Aufgehender Mond“ heißt das Werk der Expressionistin, das auch im Museum Wiesbaden zu finden ist und für das Komponist Klaus Schader derzeit die richtigen Töne findet.
Herr Schader, seit wann kennen Sie unser Museum?
Gefühlt: Endlos lang. Als Schüler war ich zwar nicht hier, doch mit meinen drei Kindern, die alle in Wiesbaden zur Schule gingen, besuchte ich das Haus, und außerdem war ich öfter mit meinen Schülerinnen und Schülern hier, nicht zuletzt, um Jawlensky-Bilder anzuschauen.
Dann haben Sie sich sicher auch mit der Zeit Jawlenskys in Wiesbaden befasst?
Ja, natürlich. Ich suchte zum Beispiel den Ort in der Beethovenstraße auf, wo sein Atelier war. Aber da gibt es leider nichts mehr zu sehen. Sein Grab auf dem Russisch-Orthodoxen Friedhof auf dem Neroberg habe ich aufgesucht.
Was gefällt Ihnen so sehr an den Arbeiten des Alexej von Jawlensky, und welche Werke sind Ihnen sogar so nahe, dass Sie ihnen Musik widmen?
Mir gefällt am besten „Große Meditation: Verhaltene Glut“. Aber auch „Große Variation: Großer Weg“ oder etwa „Große Variation: Von Frühling, Sonne, Glück“ inspirierten mich. Ich bewundere Jawlenskys Konzentration auf das Wesentliche, besonders die abstrakten Bilder regen mich an – wie er Geschichten erzählt. Ich kann dann Musik hören, ich konnte Instrumente schmecken …
Und Sie haben sich dann entschlossen, für die Lieblingswerke Musik zu komponieren.
Ja. Die „Verhaltene Glut“ gab die Initialzündung. Die Formgebung faszinierte mich und forderte mich heraus, diese Kreuzform! Ich habe dann versucht, diese Struktur in die Musik zu bringen. Eigentlich wollte ich meine Idee schon zur letzten großen Jawlensky-Ausstellung „Alles! – 100 Jahre Jawlensky in Wiesbaden“ umsetzen, die Musik am liebsten aufführen. Aber dafür war ich zu spät dran.
Und nun gibt es die Museums-App mit Musikstücken zu Jawlensky-Bildern.
Ja, sechs sind mit der App aufzurufen. Jeweils zwei bis zweieinhalb Minuten kann man vor einem der Werke verweilen und gleichzeitig die dazu komponierte Melodie hören.
Wie lange braucht es, bis ein solches Stück perfekt ist?
Für mich ist es eigentlich nie perfekt … Ich würde sagen, ca. zehn Stunden verwende ich auf das reine Handwerk – das geht heutzutage alles digital.
Welche Instrumente kommen in Ihren Jawlensky-Stücken vor?
Das ist ganz unterschiedlich, da arbeite ich u. a. mit Holz- und Blechblasinstrumenten, Streicher sind oft dabei und ab und zu auch Klavier. Das Vibraphon wird eingesetzt und, bei dem abstrakten Kopf „Rotes Licht“, eine Glasharmonika.
Testen Sie, wie die jeweilige Klangfolge beim Betrachter bzw. der Betrachterin des Bildes ankommt?
Aber ja, meine Frau ist voll eingebunden. Sie ist von Beruf Logopädin und Klangtherapeutin. Und auch der leider verstorbene Nachbar, ein Pianist, war sehr hilfreich.
Können Sie sich vorstellen, noch mehr Werke zu vertonen?
Das ist eine Frage des Budgets. Eine schöne Idee wäre auch, so etwas mit Kindern zu machen. Kinder haben immer ganz frische Eindrücke, die könnte man in die Stücke einfließen lassen.
Sie äußerten schon im Januar, als wir kurz miteinander sprachen, dass es super wäre, einmal Livemusik im Museum anzubieten, vor den ausgewählten Jawlensky-Werken.
Ja, das wäre toll! Und wenn man dann vielleicht mit dem Staatstheater zusammenarbeiten könnte … Ich bleibe dran. Eine volle Orchesterbesetzung, wie man sie für das Werk „Wo die Wölfe heulen“ brauchte, das geht natürlich nicht. Aber eventuell eine Bearbeitung für Klavier und Geige …
Sie komponieren ja noch weit mehr.
Für Klavier komponiere ich – eine Art Neo-Romantik.
Welche Instrumente spielen Sie?
Gitarre und Klavier. Neuerdings versuche ich mich an einem schottischen Dudelsack. Mit einem Freund improvisiere ich gerne, in diesem Fall bin ich an der Gitarre.
Und Sie dirigieren auch?
Ich war Vize-Dirigent bei einem Frankfurter Seniorenorchester. Leider hörte das auf, als Corona kam. Ich hatte auch ein eigenes Ensemble in Hofheim, da machten Jung und Alt mit. Es hat großen Spaß gemacht. Gerne würde ich das wieder aufleben lassen.
Bleibt Ihnen noch Zeit für andere Freizeitaktivitäten?
Ja, ich habe ein Bilderbuch, Text in Deutsch und Englisch, verfasst und gezeichnet. Es geht um eine Schnecke, die zu einem Fest eingeladen ist und Angst hat, zu spät zu kommen. Und dazu gibt es dann auch Musik von mir. Das Projekt ist fertig und im Eigenverlag erschienen. Außerdem lerne ich gerade Japanisch. Die Sprache und die Kultur des Landes interessieren mich. Der Deutsch-Japanischen Gesellschaft gehöre ich an und habe auch lange Kendo gemacht.
Natürlich möchten wir gerne wissen, warum Sie sich den Freunden des Museums angeschlossen haben …
Weil ich das Haus der Kunst und Natur so toll finde und gerne ein Teil davon werde.
Sie haben auch einen Bezug zur Natur im Museum Wiesbaden?
Ja, das Angebot gefällt mir sehr gut. Dass der Freunde-Verein das pädagogische Konzept des Museums so stark unterstützt, das schätze ich sehr.
Zum Schluss noch ein Wunsch ans Museum und an seine Freunde!
Weiter so, möchte ich spontan sagen. Nicht zuletzt auch mit den Veranstaltungen des Förderkreises!
Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost
PS: So kommt man zu den vertonten Jawlensky-Werken – in der Museumsapp, Suchfunktion, „Komposition zu Alexej von Jawlensky“ eingeben.
Zur Person
Der gebürtige Rüsselsheimer Klaus Schader (65) ist Lehrer für Englisch und Musik. Er war Fachbereichsleiter Musik an der Montessori-Schule in Hofheim und unterrichtet ab dem neuen Schuljahr an der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden. Mit seiner Frau Barbara Schmid-Schader lebt der Vater dreier Kinder in Taunusstein. Seit drei Jahren ist der passionierte Musiker und Komponist im Förderkreis der Freunde des Museums Wiesbaden.