Kunstvoll und Naturnah

Superfood aus der Region

Rings um Wiesbaden wird die Landschaft durch Streuobstwiesen geprägt, die im April und Mai mit ihrer prachtvollen Obstblüte unsere Herzen berühren.

Blüte des Trierer Weinapfels (Foto: Ulrich Kaiser/Museum Wiesbaden)
Blüte des Trierer Weinapfels (Foto: Ulrich Kaiser/Museum Wiesbaden

Hier reift, wenn es nicht durch eine Frostperiode oder durch Kalamitäten von Schädlingen zu massiven Ausfällen kommt, die Ernte des Jahres 2019 heran. Die hat es in sich, sind doch noch viele alte Regional- und Lokalsorten in den Streuobstbeständen zu finden. Denn diese Obstsorten zeigen Besonderheiten, deren Betrachtung sich lohnt. In diversen Promotionen haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den Inhaltsstoffen von Äpfeln beschäftigt. Dabei wurden erstaunliche Erkenntnisse gewonnen.

Äpfel bestehen zu 85 % aus Wasser, 10 % Zucker, 2% Rohfasern und zudem weiteren Inhaltsstoffen wie Mineralien, Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen wie Polyphenole.

Längsschnitt durch einen Apfel: Im Fruchtfleisch eingebettet befindet sich das pergamentartige Kerngehäuse mit den Samen. Essen sollte man die Frucht besser ungeschält, denn die meisten Vitamine und Ballaststoffe sitzen in und unter der Schale (Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden)
Längsschnitt durch einen Apfel: Im Fruchtfleisch eingebettet befindet sich das pergamentartige Kerngehäuse mit den Samen. Essen sollte man die Frucht besser ungeschält, denn die meisten Vitamine und Ballaststoffe sitzen in und unter der Schale (Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden)

In modernen Sorten sind diese Polyphenole meistens herausgezüchtet, weil sie Ursache für die vorzeitige Bräunung und den sauren Geschmack von Äpfeln sind. Allerdings gelten Polyphenole als gesundheitsfördernd, krebsvorbeugend und entzündungshemmend. In diesem Zusammenhang ist der alte Spruch „Ein Apfel am Tag, mit dem Doktor kein’ Plag“ insbesondere bezüglich der alten Keltersorten zu sehen.

Die Untersuchung sortenreiner Apfelsäfte aus alten Keltersorten zeigt sehr hohe Gesamtphenolgehalte und antioxidative Kapazitäten mit einer dreifachen Höhe von Säften aus Tafelobst. Keltersorten wie der Weiße Trierer Weinapfel und Bittenfelder Sämling erreichen dabei antioxidative Kapazitäten von Rotwein.

In einer anderen Untersuchung von Säften aus Tafeläpfeln und aus Kelteräpfeln von Streuobstwiesen zeigte sich, dass die Produkte aus Tafelobst nur ca. 20 bis 30 Prozent der Polyphenolgehalte von Streuobstsäften aufwiesen.
In der Dauerausstellung sind im Saal der Farben am Farboktogon in den äußeren Vitrinen zu den Farben rot, gelb und grün drei typische Vertreter für alte Obstsorten zu finden: Die Apfelsorten Ausbacher Roter (rote Vitrine), Schöner aus Wiltshire (gelbe Vitrine) und Weißer Klarapfel (grüne Vitrine) sind alle zur Mitte des 19. Jahrhundert entstanden.

Die alten Apfelsorten werden aufgrund ihres hohen Polyphenolgehaltes gelten als besonders gut verträglich für Allergiker. Gut 75 Prozent der Birkenpollenallergiker weisen auch eine Allergie gegen Äpfel auf. Dies ist darin begründet, dass das allergen wirkende Protein in Äpfeln dem in Birkenpollen sehr ähnlich ist. Viele Züchtungen neuer Tafelobstsorten zeigen vermehrte Allergengehalte und sehr geringe Polyphenolgehalte.

Polyphenole können mit dem Allergen Reaktionen eingehen, die das Allergen inaktivieren. Studien zeigen, dass alte Obstsorten nicht nur gut von Allergikern vertragen werden, sondern zudem der Genuss eine Desensibilisierung auslösen kann. Einer dieser sehr gut verträglichen Apfelsorten lässt sich im Saal der Formenvielfalt in der Vitrine Früchte und Samen betrachten.

Blick in die Vitrine zu Samen und Früchten im Saal der Formenvielfalt, Sorten von oben nach unten: Jakob Fischer, Boskoop, Cox Orange (Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden)
Blick in die Vitrine zu Samen und Früchten im Saal der Formenvielfalt, Sorten von oben nach unten: Jakob Fischer, Boskoop, Cox Orange (Foto: Bernd Fickert/Museum Wiesbaden)

In der Mitte der drei übereinander stehenden Apfelexponate steht der mit rauer Schale bereifte Schöne aus Boskoop. Diese von 1856 stammende Apfelsorte gilt als Allergiker-Apfel, lässt sich gut essen, zur Saftherstellung, zum Kochen und Backen verwenden und ist auch im Handel für Verbraucherinnen und Verbraucher erhältlich.

Ulrich Kaiser

Bildnachweis Startseite: Obstblüte im Osten von Wiesbaden (Foto: Museum Wiesbaden/Fritz Geller-Grimm)


Diplom-Biologe Ulrich Kaiser arbeitet seit Anfang 2019 für fünf Jahre als Kurator der Naturhistorischen Sammlungen im Museum Wiesbaden. In Kürze erscheint sein Buch „Richard Zorn: Verzeichnis aller in Deutschland angebauten Kernobstsorten“ beim Quelle & Meyer Verlag.

 

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