Kunstvoll und Naturnah
Seidenspinner im Museum
Wer in den Tagen vor der Museumsschließung am 2. November die aktuelle Sonderausstellung „Schmetterlingen auf der Spur – Mit Illustrationen von Johann Brandstetter“ besuchte, konnte die gefräßigen Raupen des Götterbaumspinners beobachten: Blatt für Blatt knabberten sie den Liguster ab, den sie genauso mögen wie ihre namengebende Futterpflanze.
Der Züchter brachte die Tiere am 21. Oktober 2020 ins Museum, und sie waren gerade mal fünf Millimeter groß. Ausgewachsen sind sie nach etwa sechs Wochen. Dann haben sie eine Größe von sechs bis acht Zentimetern erreicht, stellen das Fressen ein und beginnen aus einer Drüse ein Sekret auszuscheiden. An der Luft erstarrt dieses sofort zu einem hauchdünnen Faden. Die Raupen spinnen ihn geschickt um den eigenen Körper und heften sich damit an ein Blatt. In knapp zwei Tagen haben sie sich komplett zur Verpuppung in einen lockeren Kokon eingesponnen. Bevor ein dezent lehmfarbener, nachtaktiver Falter schlüpft, werden die Kokons vom Züchter wieder abgeholt.
Die Götterbaumspinner werden vorwiegend in Asien für die Seidengewinnung gehalten. Eine Vitrine im zweiten Teil der Ausstellung informiert über die wichtigsten Arten der Seidenspinner.
Gut 80 Prozent der weltweit gehandelten Seide produzieren Maulbeerspinner, die restlichen 20 Prozent werden als Wildseiden – die unregelmäßiger, weniger seidig sind und meist in ihren Naturtönen vorliegen – verkauft. Für diese sind die Götterbaumspinner (Eri-Seide) und andere Pfauenspinnerarten wie die Japanischen und Chinesischen Eichenseidenspinner (Tussah-Seide) die Produzenten. Im Gegensatz zu den seit über 5000 Jahren in menschlicher Obhut gezüchteten Maulbeerseidenspinnern haben sie ihre Flugfähigkeit nicht verloren. Sie werden meist in Plantagen gehalten, ihre Futterpflanzen sind mit Netzen abgedeckt, und die Schmetterlinge können aus den Kokons schlüpfen, bevor diese zur Seidengewinnung eingesammelt werden. Es kann kein ganzer Faden abgehaspelt werden (bei Maulbeerspinner kann er bis zu 900 Meter lang sein), sondern einzelne kurze Fäden werden verzwirnt. Diesen Seiden kommen dann als „Peace-Silk“ oder Ahisma-Seide (Indisch für „nicht verletzen“) in den Handel.
Götterbaumspinner sind durch die Seidenproduktion weit über ihre ursprüngliche asiatische Heimat verbreitet. Dort wo sich in Europa Götterbäume angesiedelt haben, sind an den klimatisch günstigen Orten – wie etwa im Elsass oder in der südlichen Schweiz – die Raupen und die Falter nicht nur im Museum zu beobachten.
Susanne Kridlo