Lions Club Wiesbaden Mattiacum im Interview

30.000 Euro für ein Kulturprojekt im Museum

Es macht Freude, mit den beiden Aktiven des Lions Clubs Wiesbaden Mattiacum, Axel Richter und Dr. Dagmar Wenz, über das von ihren Mitgliedern einstimmig ausgewählte Förderprojekt zu sprechen. Denn die Vorfreude der beiden auf „Wiesbaden malt…“ ist unverkennbar – und ebenso die intensive Beschäftigung mit der Bedeutung des Aktionstags „Wiesbaden malt … “ für Kinder und Jugendliche.


Ihr bringt gute Nachrichten: Der große Aktionstag „Wiesbaden malt…“ im Museum Wiesbaden, bei dem erstmalig im Jahr 2019 rund 500 begleitete Kinder und junge Menschen aus allen sozialen Bereichen im Museum Wiesbaden mit Begeisterung gemeinsam aktiv waren, wird in diesem Jahr dank Eurer großzügigen Spende mit einem neuen Konzept an den Start gebracht …

Axel Richter: Ja, der Lions Club Wiesbaden Mattiacum feiert in diesem Jahr sein 60-jähriges Jubiläum und aus diesem Anlass wollen wir mit 30.000 € ein Projekt fördern, das vielfältige Anforderungen erfüllen soll, darüber waren wir uns alle einig.

Ihr habt Euch die Auswahl nicht leichtgemacht?

Dagmar Wenz: Wir haben uns mit der Arbeit etlicher gemeinnütziger Organisationen, national und international, beschäftigt, mit deren Zielen und konkreten Projekten, die diese anbieten. Ein Projekt im Museum Wiesbaden, das die kulturelle Bildung und Teilhabe in den Mittelpunkt stellt, zu fördern, stand dieses Mal zunächst nicht im Vordergrund. Der Lions Club Wiesbaden Mattiacum hatte bereits zum 50-jährigen Bestehen ein soziales Bildungsprojekt im Museum Wiesbaden unterstützt.

Dabei handelt es sich um das vielbeachtete Projekt „Der Weg des Löwen“, das Ihr mit Eurer Spende von 50.000 € ermöglicht habt …

Axel Richter: Das war im Jahr 2013, als wir das Projekt „Der Weg des Löwen“ gefördert haben – ein interdisziplinäres Kulturprojekt für Vorschulkinder der 36 städtischen Kitas mit ihren Erziehern und Erzieherinnen sowie den Eltern im Museum Wiesbaden. Entwickelt wurde das Projekt mit der Abteilung Bildung und Vermittlung des Museums Wiesbaden in Partnerschaft mit dem Amt für Soziale Dienste, Abteilung Kindertagesstätten. Ziel war es, kulturelle Teilhabe über die Begegnung mit Kunst, Ästhetik und Natur für Kinder mit herkunftsbedingter Bildungsbenachteiligung zu ermöglichen und ebenso auch für ihre Familien. Das Museum Wiesbaden ist dafür ein idealer Ort. Und viele Familien kamen auch wieder. Das Projekt war so erfolgreich, dass das Amt für Soziale Arbeit es nach Abschluss unsere Förderung im Jahr 2015 konstant weiterführt.

Beim Treffen im Museumscafé: Axel Richter, Präsident des Lions Clubs Wiesbaden Mattiacum und Vorstandsmitglied Dr. Dagmar Wenz im Interview (Foto: Josh Schlasius)

Warum konnte dann doch ein Projekt im Museum Wiesbaden das Rennen um Eure Jubiläumsspende machen?

Dagmar Wenz: Wir haben, wie gesagt, lange nach einem geeigneten Projekt gesucht, auf dessen Förderung wir uns alle verständigen konnten. Was uns letztlich zum Aktionstag „Wiesbaden malt…“ gebracht hat, waren Überlegungen, zu denen auch die Ergebnisse von Untersuchungen und Studien beigetragen haben.

Worum geht es in diesen Studien?

Dagmar Wenz: Das die coronabedingten Kontaktbeschränkungen bei vielen Kindern und Jugendlichen zu starken Gefühlen der sozialen Isolation führten, ist bekannt. In der Folge haben psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen deutlich zugenommen. Das kann ich mit meinem beruflich-medizinischen Hintergrund nur bekräftigen. Und es gibt viel zu wenig Therapieplätze. Wissenschaftliche Studien wie der WHO Report 2019 belegten nun die positiven Effekte auf die psychische Stabilität und körperliche Gesundheit, die von der Teilhabe an Kunst und Kultur ausgehen. Das Erleben von Gemeinschaft vor Ort, soziale Inklusion insbesondere für Kinder und Jugendliche wirkt sich positiv auf den Stressabbau aus, gemeinsame Erfolgserlebnisse stärken prosoziales Verhalten. Verschiedene Sinnesorgane werden angesprochen. Neben diesen Aspekten, die eine heilende, wohltuende und präventive Wirkung beschreiben, wirken sich manuelle, kreative Tätigkeiten bei Kindern in vielfältiger Weise positiv auf die motorische und geistige Entwicklung aus.

Welche Auswirkungen hat denn der spielerische Umgang auf die Entwicklung von Kindern?

Dagmar Wenz: Malen und freies manuelles künstlerisches Arbeiten ist Auseinandersetzung mit der Umwelt und ein ideales Training, um die kognitiven und feinmotorischen Fähigkeiten eines Kinders spielerisch zu verbessern. Das liegt am komplexen Zusammenspiel von Augen und Händen. Es werden unterschiedliche Hirnareale aktiviert und vernetzt, die Bildung neuer Synapsen wird angeregt. Und das funktioniert als Gemeinschaftserlebnis besonders gut.

Und wie haben Euch all diese Überlegungen zu den Freunden des Museums geführt, die dann die Jubiläumsspende von 30.000 Euro erhalten haben?

Axel Richter: Einige von uns sind seit vielen Jahren Mitglieder in dem gemeinnützigen Verein, der durch bürgerschaftliches Engagement auf vielfältige Weise Kunst, Wissenschaft und kulturelle Bildung erfolgreich fördert. Zusammen mit meiner Frau Ellen bin ich seit 1996 dabei und kann mich gut an die Anfänge erinnern, als er maßgeblich den Aufbau eines museumpädagogischen Angebots und später dann einer Abteilung Bildung & Vermittlung im Museum Wiesbaden mitinitiiert und unterstützt hat. Hier ist die Spende in guten Händen. Der Förderverein ist ein Katalysator, der u.a. vieles zusammenführt und zur vollen Entfaltung bringt.

Dagmar Wenz: Ja, seit Jahren unterstützt der Verein eine Auswahl von vielfältigen Projekten zur Förderung kultureller Bildung, die sich an unterschiedliche Bevölkerungsgruppen richten, mit dem Schwerpunkt auf Kinder und Jugendliche. Durch die Mitgliedsbeiträge wird das zum Teil ermöglicht, aber Spenden sind wichtig und nötig, damit die konzeptionelle Entwicklung der museumspädagogischen Formate und deren Umsetzung möglich wird.

Welchen Weg der Kontaktaufnahme habt Ihr dann gewählt?

Dagmar Wenz: Wir haben uns an die Geschäftsführung der Freunde gewendet, und Martina Mulcahy hat dann noch Vorstandsmitglied Henrik Böttger ins Boot geholt. Erzählt haben wir, welche Richtung uns für die Verwendung unserer Jubiläumsspende vorschwebt, und gemeinsam gelangten wir schnell zum Aktionstag, der sehr erfolgreich war und dessen Start 2019 vom Verein gefördert wurde. Für dessen zukunftsfähigen Ausbau und die Weiterentwicklung konnte der Verein die Mittel nicht zur Verfügung stellen.

Und dann kam das Leitungsteam der Bildung & Vermittlung im Museum Wiesbaden ins Spiel?

Axel Richter: Ja, Förderverein und Museum pflegen eine enge Zusammenarbeit. Bei Gabriele Knepper, Ann-Katrin Spieß und Daniel Altzweig von der Edu-Abteilung war gleich Begeisterung für das Projekt zu spüren. Sie haben ein pädagogisches Konzept für diesen Aktionstag am Samstag, den 18. November entwickelt, das keine Wünsche offenlässt! Das bekam unser Lions Club dann präsentiert.

Hat Euch die Projektpräsentation bei der die drei Profis der Bildung & Vermittlung, unsere Geschäftsführerin und Vorstandmitglieder anwesend waren, gleich überzeugt?

Dagmar Wenz: Es gab viel Zustimmung bei der Präsentation im Museumcafé! Die drei vom Leitungsteam der Bildung & Vermittlung konnten mit dem vielfältigen Konzept überzeugen. Der Aktionstag stellt die drei Techniken, Malen, Zeichnen und Drucken, in den Vordergrund. An 12 Stationen in sieben Räumen können an dem Tag alle Kinder, auch Jugendliche und Begleitpersonen, manuelles kreatives Arbeiten erfahren. Alle Angebote sind kostenfrei. Vonseiten des Fördervereins wurde dann eine transparente Kostenaufstellung präsentiert, auf deren Basis wir uns zu allen Punkten verständigt haben.

Vorfreude auf den Aktionstag „Wiesbaden malt …“: Förderkreis-Vorsitzender Dr. Gerd Eckelmann und Geschäftsführerin Martina Mulcahy nehmen vom Präsidenten des Lions Clubs Wiesbaden Mattiacum, Axel Richter, und Vorstandsmitglied Dr. Dagmar Wenz den Spendenscheck im Museum Wiesbaden entgegen. (Foto: Josh Schlasius)

Was wird denn bei diesem überzeugenden niedrigschwelligen Projekt finanziert? Enthalten ist ja ein enorm vielfältiges Angebot, bei dem unterschiedlichste Materialien, Techniken unter Anleitung, allein und in der Gemeinschaft ausprobiert werden können. Das wird viele junge Menschen vor Ort zusammenbringen …

Dagmar Wenz: Das beeindruckende Konzept aus der Feder des Leitungsteams der Bildung & Vermittlung muss ja auch fachkundig betreut werden. Da müssen die freiberuflichen Mitarbeitenden bezahlt werden, die Vielfalt an Materialien, außerdem werden alle Materialien angeschafft, die es braucht: verschiedene Papierarten, Leinwände, Farben und vieles mehr. Daneben ermöglicht unsere Spende die Erweiterung der Einrichtung in der Museumsabteilung, es werden auch eine Druckpresse, Walzen und weiteres Zubehör angeschafft – Dinge, für die bisher das Geld gefehlt hat. Vom Ausbau der Infrastruktur können dann später neben all den neu entwickelten Konzepten, die das kommende Angebot erweitern, viele andere Kinder und Jugendliche in den nächsten Jahren profitieren.

Ihr möchtet für die Kinder und Jugendlichen ein Gemeinschaftserlebnis schaffen, das ihnen auch den Zugang zu einer Kultureinrichtung nahebringt?

Axel Richter: Ja, wir richten uns an alle interessierten Kinder und junge Menschen. Zudem werden Schulen, die vom Förderverein mittels gesonderter Bildungsprojekte unterstützt werden, z.B. die Grundschule Schelmengraben, noch extra dazu eingeladen.

Und Ihr habt auch eine Bitte geäußert, denn Ihr habt Euch einen speziellen Punkt in dem Konzept gewünscht: Ihr wolltet einen Künstler einladen. Wie kam es dazu?

Dagmar Wenz: Wir erhielten ja bereits im Vorfeld einen Abriss zum Konzept und dann war da die Idee, den erfolgreichen Berliner Streetart-Künstler und Maler Christian Awe einzuladen. Persönlich kennengelernt habe ich ihn in Eschborn, wo er 2020 ein spannendes Projekt an Wohnblöcken verwirklichte und dabei viel Aufmerksamkeit erhielt, nicht zuletzt Kinder waren fasziniert (Informationen hier). Christian Awe hat schon viele Projekte mit Kindern realisiert. Durch ihn könnte am Aktionstag neben Malen, Zeichnen und Drucken auch noch das Sprayen hinzukommen. Toll wäre es auch, hätten wir schönes Wetter, dann könnte Christian Awe, der honorarfrei dabei sein wird, draußen in den Kolonnaden mit den Kindern und Jugendlichen aktiv werden.

Axel Richter: Das Leitungsteam der Bildung & Vermittlung hat mit Offenheit und Flexibilität auf den Vorschlag zum Künstler reagiert und hat das Konzept angepasst.

Neben den vielen zukunftsgerichteten Dingen, die Ihr mit der Jubiläumsspende ermöglicht, gibt es aber noch einen weiteren wichtigen Punkt, der nicht unerwähnt bleiben sollte …

Dagmar Wenz: Ja, wir sorgen dafür, dass die Basis für den Aktionstag im nächsten Jahr gewährleistet ist. Und so viel dürfen wir bereits erwähnen: da soll die Natur und ein Tag für kleine Forscher im Mittelpunkt stehen – auf dass der Zauber der Moleküle eine Chance hat, viele Kinder und junge Menschen zu erreichen.

Wenn denn der große Aktionstag „Wiesbaden malt …“ gut über die Bühne gegangen ist und Ihr Euch mal kurz allein an einem Ort der Kunst oder Natur aufhalten möchtet, wo könnte das sein?

Dagmar Wenz: Mich faszinieren die Papierstaffelungen der Bildhauerin Angela Glajcar, im Museum Wiesbaden ist eine Arbeit im Erdgeschoss zu sehen. Wie die Künstlerin aus gerissenen, weißen Papierbahnen und Licht raumgreifende Installationen schafft, ist sehr sehenswert.

Axel Richter: Ich gehe gerne in die „Ästhetik der Natur“, zum Beispiel zur Vitrine mit den Schnecken und Muscheln.

Dagmar Wenz: Darf ich zum Schluss noch einen großen Wunsch äußern?

Aber ja, wie lautet er?

Dass aus dem großen Bild, welches der Künstler Christian Awe mit den Kindern fertigen will, mehrere kleine entstehen können und dass wir diese in einer Auktion versteigern. Wenn wir das schaffen würden, das wäre wunderbar.

Das Gespräch führten Ingeborg Salm-Boost und Martina Mulcahy

 

 

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