Unter Freunden
Mit jedem Besucher ein neuer Blickwinkel
Zwar ist die Kirchhoff-Ausstellung – ein echter Publikums-Magnet! – seit Ende Februar vorüber, doch trotzdem waren am eintrittsfreien März-Samstag rund 900 Gäste im Museum Wiesbaden unterwegs. Darunter trafen wir erfreulich viele junge Familien, die das Programm der Museumspädagogik und der Naturwissenschaftlichen Abteilung gerne in Anspruch nahmen.
Doch lassen Sie uns zuerst noch einen Blick zurück auf die Kirchhoff-Sammlung werfen: „Spaziergänger“ zuhauf waren in den letzten Februartagen im „Garten der Avantgarde“ zu Besuch. Ist es nicht toll, dass 50.000 Menschen aus dem In- und Ausland die Werke in der mit viel Aufwand und ebenso viel Liebe zusammengetragenen Schau gesehen haben? Und ist es nicht super, dass tatsächlich zwei Mainzer Sammler – Norbert Moray und Horst Ahner – anlässlich der Kirchhoff-Ausstellung dem Museum Wiesbaden das bislang unbekannte Gemälde „Segelboote“ von Walter Jacob geschenkt haben? Es entstand 1925 und ergänzt laut Kurator Roman Zieglgänsberger auf ideale Weise den Bestand. Die vorhandenen zwei Jacob-Gemälde sind im direkten Umfeld Kirchhoffs 1920 entstanden. Die „Segelboote“ lassen, sagt der Experte, den nächsten künstlerischen Schritt verfolgen – an Nord- und Ostsee sowie auf den Spuren Emil Noldes.
Weitere Arbeiten aus der ehemaligen Kirchhoff-Sammlung von Alexej Jawlensky, Josef Eberz und Julius Hess wurden übrigens während der dreijährigen Vorbereitungszeit erworben. Und nicht zuletzt mit großer Unterstützung unseres Vereins kam das Gemälde „Herbstblumen mit Katze II“ von Felixmüller aus dem Jahr 1922 in den Besitz des Museums.
Kommen wir zurück zum eintrittsfreien März-Samstag. Dass das Programm für Familien so toll angenommen wird, freut uns vom Vorstand des Freunde-Vereins sehr, unterstützen wir doch diese Aktivitäten und sehen auch, mit welcher hohen Motivation die Museumspädagogen Astrid Lembke-Thiel und Daniel Altzweig sowie die Naturwissenschaftler sich um die Kids kümmern. Einen Riesenspaß machte es, Kinder im Grundschulalter und auch ganz Kleine am Maltisch zu beobachten. Er soll nun immer während des eintrittsfreien Samstags in der Wandelhalle mit Malutensilien bereitstehen. Der Stand der Freunde befindet sich gleich gegenüber, und so konnte man beobachten, wie beispielsweise eine junge Mutter und ihre beiden Söhne fast zwei Stunden lang ins Malen vertieft waren. Und wie der gerade mal elf Monate alte Miguel auf seinen wackeligen Beinchen den Tisch ansteuerte, sich auf Mamas Schoß setzte und den Stift zur Hand nahm …
Während am Maltisch durchgängig alle Plätze belegt waren, führte die Kunsthistorikerin Martina Mauritz eine Gruppe gut gelaunter Gäste zu den Highlights der Kunstsammlungen. Die promovierte Kunsthistorikerin arbeitete früher in Bilbao im Guggenheim-Museum als Führerin. Lassen Sie mich an dieser Stelle mal ein bisschen abschweifen, liebe Freunde, und noch etwas zum Thema Priavatführungen sagen. Einer guten Bekannten habe ich kürzlich eine solche vermittelt: Ilka Guntrum, Chefin von „Elle & Lui“ in der Wilhelmstraße, wollte ihre Belegschaft ins Museum eingeladen. Gleich nach der Arbeit waren alle bereit für den abendlichen Ausflug in die Kunst. Keine Selbstverständlichkeit nach einem anstrengenden Tag, oder? Umso mehr imponierte mir die Wissbegierde in diesem Kreis, der überaus angetan war vom „Garten der Avantgarde“. Ein paar O-Töne nach dem Event: „Ich bin öfter mal in einem Museum, aber es war meine erste Führung. Es war nicht die letzte, es ist toll, so viel Hintergrundwissen zu hören“, sagt Sabine Menneke. Chefin Ilka Guntrum, die nach einem Museumsbesuch während der Kurzen Nacht der Galerien (und auch inspiriert durch meine Erzählungen über die Vorzüge des Museums) auf diese Ausflugsidee gekommen war, findet es super und hätte gerne noch eine Stunde länger zugehört. Es soll für ihr Team nicht der letzte Trip ins Museum gewesen sein. Manasse Heidl, sicher der Jüngste bei Elle & Lui, kennt zwar das Museum aus der Schulzeit, doch jetzt nimmt er es ganz anders wahr. Er steht vor „sehr, sehr starken Bildern“, und die Erklärungen entführen ihn tief in die Kunstwelt. „Ich bin in vielen Punkten geflasht gewesen“, erzählt er im Nachhinein.
Privatführungen sind übrigens sehr gefragt im Museum Wiesbaden, sowohl ganz private kleine Gruppen als auch Reisegruppen sind regelmäßig im Haus unterwegs und werden gerne auch in fremden Sprachen begrüßt. Wussten Sie, dass nach Vereinbarung Buchungen außerhalb der Öffnungszeiten möglich sind? Wer Näheres wissen will: Jessica Krimmel gibt unter (0611) 335 2240 oder per E-Mail an fuehrungen@museum-wiesbaden.de gerne Auskunft.
Ein letzter Blick zurück auf die so interessierte Gruppe aus dem Bekleidungshaus. Mit ihr und Martina Mauritz bin ich zum vierten Mal durch den „Garten der Avantgarde“ gelaufen und konnte wieder Neues entdecken. Zuvor hatte ich übrigens eine Gruppe von neuen und alten Freunden willkommen geheißen, die auf Einladung des Vereins im „Garten“ unterwegs waren. „Ich will mit den Gästen gemeinsam gehen, sie nicht nur führen“, diese Aussage der freischaffenden Kunsthistorikerin Mauritz gefällt mir sehr gut. Sie freut sich, wenn Fragen gestellt werden und lässt sich durchaus auch gerne in ihren Ausführungen unterbrechen. Sie zieht Anregungen aus den Betrachtungen ihrer Gäste. „Mit jedem Besucher kommt ein neuer Blickwinkel“ lautet ihre Devise. Das ist doch ein schönes Kompliment an uns Kunstfreunde!
Ingeborg Salm-Boost