Wir gehen in Kirchhoffs Garten

Neu im Museum!

Noch können wir es nicht betrachten, schön aber ist es, dass Roman Zieglgänsberger uns die Erwerbungsgeschichte des „Parkbild“ (Heinrich Kirchhoffs Garten) von Walter Jacob schildert. Ein Werk, an dem „die Wildheit der Malerei“ fasziniert, ein Gemälde, das mit kurzentschlossener, großzügiger finanzieller Unterstützung unseres Förderkreis-Mitglieds Helga Haub in den Besitz des Museums Wiesbaden gelangen konnte. Wo es, sagt der Kustos der Klassischen Moderne, unbedingt hingehört. Er hat für die Freunde-Website darüber geschrieben, und gleichzeitig noch eine zweite Frage beantwortet, die wir ihm stellten: Wie sieht der Arbeitsalltag im geschlossenen Museum aus? Interessant, was er berichtet:


Die eine oder der andere mag sich fragen, was denn hinter den Kulissen in einem geschlossenen Museum so alles passiert, ob die Belegschaft hier ein, zwei Gänge zurückschaltet, um, wenn es wieder losgeht, mit voller Energie durchstarten zu können. Was tatsächlich an Arbeit wegfällt, sind diverse Abendtermine, Dienstreisen und (glücklicherweise) die eine oder andere zeitraubende Besprechung, ansonsten bleibt das Pensum aber das gleiche. Alles umzuorganisieren und auf die Launen eines Virus zu reagieren, frisst viel Zeit. Auch wollen die kommenden Ausstellungen ja vorbereitet sein – so steht etwa das Jubiläum „100 Jahre Jawlensky in Wiesbaden“ vor der Tür, schon Mitte September geht es los. Und überhaupt, wir halten die Augen offen nach einer möglichen Neuerwerbung zu diesem wunderbaren Anlass: Ein besonderes Jawlensky-Gemälde haben wir schon im Blick, mehr darf ich aber noch nicht verraten.

Neuerwerbung und wunderbare Ergänzung: Walter Jacob, Parkbild (Garten Heinrich Kirchhoff), 1920 (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Was ich verraten kann, ist, dass wir letzte Woche das ebenso große wie großartige Gemälde „Parkbild (Garten Heinrich Kirchhoff)“ des Künstlers Walter Jacob angekauft beziehungsweise geschenkt erhalten haben. Dieser einigermaßen komplexe Erwerbungsvorgang macht deutlich, dass Museumsarbeit mitunter einen langen Atem erfordert und es durchaus gut für ein Haus ist, wenn das Personal nicht alle drei Jahre wechselt.

Das Gemälde war vor dreieinhalb Jahren 2017/18 als Leihgabe in unserer Heinrich Kirchhoff-Ausstellung „Der Garten der Avantgarde“ neben Werken von Josef Eberz und Conrad Felixmüller zu sehen – und jede Besucherin, jeder Besucher war ebenso beeindruckt von der Wildheit der Malerei wie von der mitreißenden reliefartigen Pastosität. Als wir das Bild der Eigentümerin, Esther Walldorf, im März 2018 nach der Ausstellung zurückgebracht haben, wurde nebenbei von uns erwähnt, dass es wohl kaum ein Werk gibt, das mehr zu Wiesbaden gehört als dieses dichte Gartengemälde, und wenn sie einmal daran denken sollte, sich von dem Werk zu trennen, dass sie sich doch, bevor das Werk in einer anonymen Privatsammlung auf immer verschwindet, an uns wenden möge. Denn das „Parkbild“ ist nicht nur im exotischen Garten der Villa Kirchhoff in der Beethovenstraße 10 gemalt worden, sondern das Museum Wiesbaden besitzt bereits ein etwas kleineres vergleichbares Werk des Künstlers, der zudem die Familie Kirchhoff in exakt diesem Garten porträtierte. Mit dem neuen Gemälde wäre ein Triptychon perfekt.

Walter Jacob, Familie Kirchhoff, 1920 (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Walter Jacob, Der Garten Kirchhoff, 1920 (Foto:Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Nun meldete sich Esther Walldorf im Oktober 2020 bei uns, ob wir noch Interesse hätten an dem Gemälde, und das Museum war in hellem Aufruhr. Nur, können wir uns das leisten in einer Zeit, in der eine Pandemie die Eintrittsgelder, die im Museumsetat fest eingeplant sind, dahinschmelzen lässt und jeder „Dollar“ zweimal umgedreht wird? Die Skepsis, die Angst war groß, dass es nicht klappen könnte.

Der nächste Schritt war, den aktuellen Marktwert zu ermitteln, um präzise zu wissen, über welche Summe man genau überhaupt spricht. Hierfür wurden Auktionsergebnisse zusammengetragen, Schätzungen von diversen Auktionshäusern und Galeristen vergleichbarer Bilder eingeholt und sodann transparent in Absprache mit der Eigentümerin ein von beiden Seiten vertretbarer Preis festgelegt. Was herauskam, war ernüchternd: Das Kunstwerk war schlicht zu teuer.

Sie fragen sich jetzt sicherlich längst, während Sie das lesen, wie hoch der Preis denn nun war? Er soll hier aber nicht genannt werden, weil letztlich nur zählt, dass eine Lösung gefunden wurde und das Bild jetzt uns und damit auch und vor allem Ihnen gehört!

Es entwickelte sich nämlich eine Dynamik, die nur dann entstehen kann, wenn Vertrauen zwischen den Beteiligten aufgebaut und Verständnis für unsere museale Arbeit besteht. Esther Walldorf war so großherzig ein Drittel des Bildes zu schenken, weil es ihr genauso wichtig war wie uns, dass das Bild dorthin kommt, wo es hingehört: ins Museum Wiesbaden. Ihr Vater, der Maler Benno Walldorf, hatte das Gemälde zwischen 1956 und 1959 direkt von der Witwe Heinrich Kirchhoffs, Tony Kirchhoff, in Wiesbaden erworben.

Großartig und noch ein Grund zur Freude: Die Hälfte des restlichen Betrags hat ein sehr geschätztes Mitglied der Freunde des Museums Wiesbaden übernommen: Helga Haub. Wir danken ihr herzlich für diese kurzentschlossene, noble Förderung, die Wiesbaden um ein kunst- wie kulturhistorisch bedeutendes Bildzeugnis reicher macht.

Für Esther Walldorf, die mit dem „Parkbild“ an der Wand im elterlichen Wohnzimmer aufgewachsen ist, ist es übrigens schön zu wissen, wo das Gemälde sich in Zukunft befinden wird. Wenn sie es sehen möchte, muss sie von Bad Homburg nur nach Wiesbaden fahren. Und wenn Sie es sehen wollen, können Sie dies sehr gerne tun: Es wird in der Neupräsentation nach der August Macke-Ausstellung sogleich im Heinrich Kirchhoff-Raum präsentiert. Wir freuen uns auf Sie!

Roman Zieglgänsberger

Zur Übersicht