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Jutta MacConnell: Kunst und Natur liegen in den Genen
Wer mit ihr zusammentrifft, stellt rasch fest: Hier sitzt eine starke Frau. Eine Frau, die unbeirrt ihren Weg geht – bis heute. Jutta MacConnell feiert am 18. Juni ihren 80. Geburtstag. Kein Grund für sie, kürzer zu treten. Die Ethnologin, die im Alter von 77 Jahren promovierte, arbeitet aktuell wieder an einem Namibia-Projekt. Sie nimmt sich aber auch immer wieder Zeit fürs Museum Wiesbaden. Und schätzt es, vom Förderkreis „begleitet und betreut“ zu werden.
Jutta, Du hast einen spannenden Lebensweg bis hin nach Namibia genommen. Lass uns aber für die Freunde-Website erst einmal über Deine Nähe zum Museum Wiesbaden sprechen. Erinnerst Du Dich, wann Du es, als gebürtige Frankfurterin, zum ersten Mal besucht hast?
Aufgewachsen und zur Schule gegangen bin ich in Wiesbaden. Ich erinnere mich nicht mehr an meinen ersten Museumsbesuch, aber sicherlich war das mit meiner Mutter. In unserer Familie war es ein Stück Lebenskultur, überall, wo wir hinfuhren, Museen und Kirchen zu besuchen.
Haben Deine Eltern bestimmte Kunstrichtungen bevorzugt?
Am meisten interessierten sie sich für die Impressionisten, Expressionisten und auch für moderne Kunst. In den Kirchen bewunderte man meistens die Architektur und die bunten Fenster. Zum Freundeskreis meiner Eltern gehörten auch Wiesbadener Künstler. Und meine Mutter war später ehrenamtlich im Nassauischen Kunstverein tätig.
Wann hast Du das Landesmuseum in Wiesbaden so richtig für Dich entdeckt?
In den 1970er Jahren war ich viel im Museum, vor allem, wenn sonntags Ausstellungen eröffnet wurden. Dann mussten auch meine Kinder mit, die heute noch leidenschaftliche Museumsgänger sind. Museumsbesuche liegen offensichtlich in den Genen.
Was hat Dich bewogen, Mitglied bei den Freunden zu werden, und wann war das?
Das war 2007, als Felicitas Reusch noch im Vorstand war und für den Verein Reisen zur documenta und nach Münster zur Skulpturenausstellung anbot. Das hat sie großartig organisiert. Und da wurde ich Mitglied bei den Freunden.
Welcher Teil der Dauerausstellungen ist Dir der liebste?
Natürlich die Klassische Moderne, aber auch die zeitgenössische Kunst.
Gehen wir nochmal zurück und kommen auf Robert Genin zu sprechen. Ein Künstler, von dem Du eine bedeutende Sammlung hast, die zuletzt in Murnau ausgestellt wurde. Sage uns etwas über diesen Maler.
Genin war ein russischer Maler, Grafiker, Zeichner und Illustrator. Er wurde 1884 in Wisokoje in Weißrussland geboren und verließ im Alter von 18 Jahren nach künstlerischen Ausbildungsanfängen seine Heimat, um in München an der renommierten Anton-Azbé-Schule zu studieren, an der sich unter anderem auch Kandinsky ausbilden ließ. Ich könnte sehr detailliert über Genin erzählen …
Machen wir einen Sprung. Genin lebte auch in Paris?
Ja. Nach einer Zeit dort mit Ausstellungen 1907, 1910 und 1911 im Pariser Herbstsalon kehrte er aber wieder zurück nach München. Er nahm Beziehungen zur Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ auf und befreundete sich mit Jawlensky, Kandinsky und Marianne von Werefkin. Er war 1911 u.a. mit Kubin und Klee Mitbegründer der Künstlergruppe „Sema“. 1913 gehörte er zu den Gründern der „Münchener Neuen Secession“.
Er ging dann in die Schweiz …
Nach dem 1. Weltkrieg zog es ihn in die „heile Welt“ der Schweiz. Er kaufte sich – Jawlensky und Werefkin folgend – ein Haus in Ascona. 1923 ging er in die Kunstmetropole Berlin, „Auf der Suche nach dem Paradies“ reiste Genin 1926 nach Bali. 1936 entschied er sich, allein, ohne Familie, nach Russland zurückzukehren …
Wurde Genin in Wiesbaden ausgestellt?
Ja, mit dem Bild „Adam und Eva“ aus meiner Sammlung in der Azbé-Ausstellung 1988. Im Januar 2017 zeigte das Bankhaus Schilling Genin zusammen mit Expressionisten aus der Sammlung von Frank Brabant. Im März 2019 widmete das Museum Murnau seine Jahresausstellung Genin. Hier waren auch viele Bilder anderer Sammler wie aus der Sammlung des Russen Alexej Rodionow und der Sammlung des Kunsthistorikers Ralph Jentsch.
Und wie kamst Du zu der Sammlung?
Sie ist ein Erbstück des Großvaters meines verstorbenen Mannes. 1931 schloss Emil Kadé in Paris einen Vertrag mit Robert Genin, wonach er sich für jährlich 36.000 französische Franc mindestens fünf seiner besten Bilder aussuchen durfte.
Gibt es eigentlich einen Genin im Museum Wiesbaden?
Nein, leider gibt es noch keinen Genin in unserem Museum.
Dein Fokus liegt sicher auf der Kunst, besuchst Du auch die Naturhistorischen Abteilungen?
Gerne, ganz besonders beeindruckend für mich, die ich immer wieder die wilden Tiere in Afrika beobachte, ist der Springböcke jagende Gepard – Afrika lässt grüßen.
Erinnerst Du Dich an ein Ausstellungs-Highlight in der Natur?
Ausstellungs-Highlights sind für mich die präparierten Tiere – und dann noch, wie sie in der Bewegung dargestellt werden!
Welche Kunstausstellung im Museum Wiesbaden hat Dich besonders beeindruckt?
Mehrere: „Horizont Jawlensky“ – einfach toll! Dann Ellsworth Kelly, super präsentiert – auch mit der Bitte an die Besucher der Eröffnung, sich in schwarz-weiß zu kleiden. Außerdem Rebecca Horn und Richard Serra.
Schauen wir auf Deinen Lebensweg: Du hast in jungen Jahren Betriebs- und Volkswirtschaft studiert, bist früh Mutter geworden. Du hast Deinen Mann früh durch einen tragischen Unfall verloren und musstest zwei Kinder alleine großziehen, warst stets berufstätig, so für die SPD-Rathaus-Fraktion und für die Stadtkämmerin. Und Du hast Dich auch ehrenamtlich stark engagiert, unter anderem den Verein „Frauen helfen Frauen“ mitbegründet und vieles mehr gestemmt.Wie schafft man das?
Ja, wie macht man das … Einmal ist es eine für meine Generation typische Frauenbiografie – nicht, dass der Mann stirbt, sondern dass Frauen erst einen Beruf erlernen, dann heiraten, durch Trennung oder Verlust alleinerziehende Mütter werden. Dann war es auch die Zeit, in der die Frauen etwas verändern wollten – sich politisch engagierten, weil man nur mit vielen Menschen etwas erreichen kann. Es gehört eine Lebenseinstellung dazu, auch Mut, Neugier und Lebenslust.
Und dann hast Du mit 55 nochmal etwas ganz Neues begonnen, das Studium der Ethnologie. Job in Wiesbaden und Uni in Mainz, wie ging das zusammen?
Man muss gut organisieren. Einmal habe ich mich allerdings für die Feldforschung zu meiner Magisterarbeit ein halbes Jahr beurlauben lassen und dafür gesorgt, dass ich in dieser Zeit eine Vertretung hatte. Ich war damals persönliche Referentin der Stadtkämmerin.
Wie oft bist Du in Namibia?
Es begann 1998 mit einem halben Jahr, es folgten ab 2000 elf Aufenthalte.
Was ist das Hauptthema Deiner Feldforschung?
Politische Ethnologie. Die Magisterarbeit schrieb ich über „Die kommunale Landreform in Namibia – Ein Beitrag zur Förderung von Kleinbauern?“ Bei der Dissertation ging es um die „Damara in Namibia“. Mein Thema ist hier die politische Positionierung einer ethnischen Bevölkerungsgruppe, um sich für ihre Rechte im Staat einzusetzen. Es geht um die Schaffung und Stärkung von Identität mithilfe von Erinnerung (Geschichtsproduktion).
Was ist das neueste Projekt?
Entwicklungszusammenarbeit und Versöhnung.
Wie hältst Du Kontakt mit Namibia?
Auf unterschiedlichen digitalen Wegen. Allerdings braucht es oft sehr viel Geduld, bis eine Verbindung zustande kommt. Wir tauschen auch Whatsapp aus.
Zurück nach Wiesbaden. Bleibt Dir Zeit für die kulturellen Angebote des Förderkreises der Freunde?
Ja sicher, ich freue mich auf jede Ausstellung und auch auf die Eröffnungen mit den erklärenden Vorträgen der Kuratoren sowie das Angebot der Führungen. Vom Förderkreis fühle ich mich gut begleitet und betreut. Ohne den Verein wäre mir das Museum Wiesbaden nicht so nah. Und es ist ja auch toll, dass das Museum mit Hilfe des Förderkreises neue Werke ankaufen kann.
Du bist vielseitig kulturell unterwegs, was interessiert Dich noch besonders?
Insbesondere fremde Kulturen. So waren mein Partner und ich auch schon in Vietnam und Kambodscha. Eigentlich interessiert mich immer etwas, was mit Menschen zu tun hat. Lebendiges. Auch Israel habe ich mindestens zehnmal besucht und sogar für den Förderverein Beit Berl zusammen mit dem früheren VHS-Direktor Hartmut Boger eine Studienreise durchgeführt. Auf meinen Afrika-Reisen war ich übrigens immer mit Frauen unterwegs.
Wir haben einen neuen Direktor im Museum. Wie lautet Dein Willkommensgruß?
So weitermachen! Denn ich finde, dass unsere Museumsleitung viel erreicht hat. Denken wir nur an die Ausstellung „Horizont Jawlensky“ 2014 und vieles mehr … Natürlich, auch für das neue Museum Reinhard Ernst hat sich der nach Hamburg gegangene Direktor Alexander Klar sehr stark gemacht, hier sollte man den Kontakt halten. Und ich fände es toll, wenn durch besondere Ausstellungen der Ruf unseres Landesmuseums im In- und im Ausland weiter ausgebaut werden könnte.
Jutta, während der pandemiebedingten Schließung des Museums haben wir vom Förderkreis unsere Mitglieder nach ihrem „Sehnsuchtsobjekt“ gefragt. Was ist Deines?
Immer wieder zieht es mich zu Jawlensky. Und ich bin stolz darauf, seine Werke Freunden von auswärts zeigen zu können. Ebenso liebe ich aber auch Rebecca Horns „Jupiter im Oktogon“.
Das Interview führte Ingeborg Salm-Boost