Kunstvoll und Naturnah

Ich glaube nicht an Dinosaurier!

Ein Junge verlässt das Berliner Naturkundemuseum und äußert Unglauben gegenüber der Existenz von Dinosauriern. Was Ausgangspunkt der Installation von Moritz Frei ist und uns zunächst staunend zurücklässt, wirkt bald trotzig, kindisch – dann aber macht es nachdenklich: Was wissen wir über Dinosaurier? Sind wir ihnen doch tatsächlich nie „in echt“ begegnet. Ja, Skelette kennen wir und auch Rekonstruktionen, aber was heißt das schon.

Moritz Frei, I don’t believe in dinosaurs, 2017/2024. Installiert auf dem Kolonnaden-Dach am Museum Wiesbaden. Weißes Neon mit Alu-Rückkonstruktion, 45 x 600 cm © Moritz Frei (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Vielleicht reicht der Ausruf tiefer, verweist auf ein Infragestellen, gerade auch jeder noch so nachdrücklich präsentierten Gewissheit (was die fossilen Knochen ja dann doch irgendwie sind – jedenfalls deutlich mehr als verwackelte Bilder der Mondlandung …). Und dieses Befragen der Wirklichkeit ist doch gut … wir sollen doch nicht immer alles glauben … und ist nicht die Erde auch deshalb heute nicht mehr das Zentrum des Universums, weil irgendwann jemand – unter Einsatz seines Lebens – die Behauptung aufgestellt hat, dass dies eben nicht so sei … Ist aus dieser Behauptung nicht schließlich mittels Evidenz und Beweis eine neue Wirklichkeit geworden?

Galileo Galilei führte den Beweis, er zeigte auf, dass Glaube nicht gleich Wirklichkeit sein muss. Denn letztlich ist die Vereinbarung, etwas wissenschaftlich zu betrachten, die einzige Chance, eine Allgemeingültigkeit herzustellen (auch wenn diese, und das ist gerade der Kern der Wissenschaft, jederzeit wieder umgeworfen werden kann…). Eine Behauptung aufzustellen ist eben nicht genug, wenn ich andere wirklich überzeugen will. Wenn ich meine Behauptung (als These) dagegen wissenschaftlich untermauere – und das heißt letztlich nichts anderes, als für andere nachvollziehbar und damit auch nachprüfbar ausgestalte – kann diese noch so verrückt scheinen und doch zum Nobelpreis führen (Quantenphysik).

Und genau darum geht es: Infragestellen jederzeit, das ist der Kern der Aufklärung. Doch mit einem deutlichen Nein sollte man allen Versuchen begegnen, ohne jegliche Rückbindung, allein aus subjektiver „Gewissheit“ (und manchmal leider auch einfach Bequemlichkeit) etwas zur Wirklichkeit aller machen zu wollen. Nur dann können wir uns auch von den Dinosauriern unserer Zeit lösen und das Projekt der Aufklärung wieder aufnehmen.

So ganz Unrecht hatte der Junge in Berlin übrigens nicht (s. u. die Ausführungen meines Kollegen): Nicht alles, was wir heute für Dinosaurier halten, sind im Kern auch solche.

Und angemerkt sei daher, dass der Ichthyosaurier in unserer Sammlung genau genommen eben gar keiner ist, was der Aussage des Jungen, bezogen auf das Museum Wiesbaden dann doch wieder eine wissenschaftliche Grundlage verleiht. 😉

Jörg Daur


Ein kleiner Nachtrag zum Thema Dinosaurier aus paläontologischer Perspektive:

Tatsächlich ist mittlerweile bekannt, dass Vögel sich aus kleinen fleischfressenden Dinosauriern entwickelt haben, und deswegen selbst Dinosaurier sind. Fossilien wie der Archaeopteryx zeigen deutlich, dass bereits vor etwa 150 Millionen Jahren, während der Jura-Zeit, vogelähnliche Dinosaurier (oder dinosaurierähnliche Vögel) existierten. Sie besaßen noch urtümliche Eigenschaften wie Zähne, hatten jedoch bereits Merkmale der heutigen Vögel entwickelt, wie Schwungfedern. Über Millionen von Jahren entwickelten sich Vögel und andere Dinosaurier voneinander getrennt, bis letztere an der Kreide-Tertiär-Grenze (ja, das große Meteoriteneinschlag-Ereignis) ausstarben.

Die Gesamtheit der Dinosaurier (einschließlich Vögel) kann heute anhand von Verwandtschaftsbeziehungen in zwei große Gruppen eingeteilt werden. Einerseits gibt es die sogenannten Theropoden, die zweibeinig und meist Fleischfresser waren. Dazu zählen Dinos wie der Tyrannosaurus rex oder der Spinosaurus sowie die heutigen Vögel. Andererseits die Sauropoden, eine Gruppe von sehr großen vierbeinigen Pflanzenfressern wie der Brachiosaurus oder der Diplodocus. Stammesgeschichtlich war einer der letzten Nachfahren dieser Gruppe der Triceratops, der am Ende der Kreidezeit lebte. Basierend auf dieser Einteilung definiert man also Dinosaurier als die Gruppe aller Nachfahren des letzten gemeinsamen Vorfahren von Triceratops und den modernen Vögeln und deren Nachfahren.

Wenn Ihnen nach dem letzten Absatz etwas schwindelig geworden ist, keine Sorge, Sie sind nicht allein. Die Stammesgeschichte der Dinosaurier ist eine sehr komplizierte Angelegenheit. Letztendlich kann ich verstehen, wenn Sie danach lieber sagen würden: „I don’t believe in dinosaurs.“

Es herrscht tatsächlich eine gewisse Verwirrung darüber, welche Urzeittiere zu den Dinosauriern gehören. Meeresreptilien wie der Mosasaurus oder der Ichthyosaurus sowie Flugsaurier wie der Pterodactylus sind keine Dinosaurier. Ich weiß, das ist schwer zu verdauen, aber, wenn wir die Stammesgeschichte der Dinosaurier weiter zurückverfolgen, wird das eindeutig. Flugsaurier und Dinosaurier sind sogenannte Schwestergruppen, sie haben also einen gemeinsamen Vorfahren und haben sich unabhängig voneinander weiterentwickelt. Beide sind unmittelbar verwandt mit den Krokodilen, mit denen sie die Gruppe der sogenannten Archosaurier bilden. Meeresreptilien haben dagegen sehr wenig mit Dinosauriern zu tun und sind enger mit Echsen und Schlangen verwandt. Sorry für die Verwirrung.

Eric Otto Walliser


Mehr über den Künstler Moritz Frei erfahren Sie unter www.moritzfrei.com.
Mehr zu seiner Installation „I don’t believe in dinosaurs“ finden Sie hier.

 

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