Unter Freunden

Was Freude macht …

Wie geht es Ihnen, liebe Freunde und Freundinnen des Museums? Noch ist keine Öffnung für unseren Ort der Kunst und Natur in Sicht. Die Kristalle lassen auf sich warten. Die Baechle-Sammlung würde man gerne kennenlernen, sich mal wieder im Jugendstil bewegen … Für August Mackes Paradies läuft die Zeit davon, es wird nicht über den 9. Mai hinaus zu erkunden sein. Aber ich will heute nicht weiter ins „Corona-Klagen“ verfallen, wir wissen ja alle selbst am besten, auf was wir verzichten müssen, was uns am meisten fehlt. Ich möchte gerne stattdessen appellieren, auf Dinge im eigenen Umfeld zu blicken, die trotz allem für Freude in der Pandemie-Zeit sorgen.

Rings um meinen Laptop stehen im Moment sechs Flaschen, die eine besondere Bedeutung für mich haben. Sie wundern sich sehr? Ich kläre auf: Mit einer Kollegin aus dem Vorstand teile ich die wohl eher ungesunde Vorliebe, ab und zu eine Cola light zu trinken. Vor einiger Zeit stand diese Freundin des Museums mit einer Kiste des Getränks, schleifchenverziert, vor meiner Tür – es sei ein Geburtstagsgruß, sagte sie mir. Und dann sah ich, was sie mit den kleinen Coke-Flaschen gemacht hatte: Auf jeder fand ich ein Zitat zur Kunst. Welch eine geniale Idee, die mir eine Riesen-Freude macht!

Nicht nur Durstlöcher: Kunst-Zitate auf der Coke machen Freude. Das „Danke“ rechts ist übrigens eine Kreation von der Nachbarin. (Foto: privat)

Gerne möchte ich ein paar Beispiele nennen: „Es gibt Maler, die die Sonne in einen gelben Fleck verwandeln. Es gibt andere, die dank ihrer Kunst und Intelligenz einen gelben Fleck in die Sonne verwandeln.“ Das sagte Pablo Picasso, dem es ja an Selbstbewusstsein nicht fehlen musste. Er meinte auch, so steht’s auf einer anderen Flasche: „Jedes Kind ist ein Künstler. Das Problem ist, Künstler zu bleiben, wenn man erwachsen wird.“ Lassen wir eine besondere Frau zu Wort kommen: „Den Strich, den das Genie in einem Zuge hinwirft, kann das Talent in glücklichen Stunden aus Punkten zusammensetzen.“ Dies lässt uns die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach wissen. Ganz besonders gefällt mir auch Albert Einsteins Wort: „Kreativität ist Intelligenz, die Spaß hat.“ Joseph Beuys ist bei meinem außergewöhnlichen Präsent, das so liebevoll zusammengestellt und aufgeklebt worden ist, ebenfalls vertreten: Der Künstler, der im Mai 100 Jahre alt geworden wäre und der (pandemiebedingt) jetzt leider erst im Oktober im Museum Wiesbaden ausgiebig gewürdigt werden kann, sagt folgendes: „Jeder freie Mensch ist kreativ. Da Kreativität einen Menschen ausmacht, folgt: Nur wer Künstler ist, ist Mensch. Jeder Mensch ist ein Künstler.“

Von den Sprüchen zu besonders schönen Grüßen – handmade! Nicht erst seit Corona, aber seit diesen Zeiten ganz besonders, freue ich mich über meinen schriftlichen Austausch mit einer lieben Nachbarin. Während ich immer wieder mal eine mit Bedacht ausgewählte Kunstpostkarte (oft mit Werken unseres Museums Wiesbaden) an sie schreibe und in ihren Briefkasten werfe, ist sie besonders kreativ und gestaltet ihre Post an mich selbst. Auch sie wählt mit viel Überlegung das Motiv – und dann fertigt sie, die frühere Kunstlehrerin, Collagen an, die mich immer wieder staunen lassen und glücklich machen. Welch eine wunderbare Form der Kommunikation, denke ich jedesmal, wenn wieder ein so kleines Kunstwerk angekommen ist. Vor wenigen Tagen fand ich eine bildhafte Nachricht „Mit Ecken und Kanten“ im Briefkasten. Mit Ecken und Kanten? Meine Nachbarin hat eine Ankündigung für „Georges Braque – Tanz der Formen“ im Bucerius Kunstforum, Hamburg, für ihren neuesten Gruß verwendet. Eine Einladung zum digitalen Ausstellungsbesuch. Und auch den Text hat die kreative Freundin auf „Ecken und Kanten“ abgestimmt, eine Lebensbetrachtung … Grund zur Freude am Morgen!

Viele weitere Dinge des Lebens, die auch in Vor- und Nach-Corona-Zeiten, aber gerade jetzt gut tun, könnte ich noch aufführen: etwa die Spaziergänge mit einem Freund statt Mittagessen, dafür mit gegenseitigen Buch-Empfehlungen: Du solltest unbedingt „Feuer der Freiheit“ von Wolfram Eilenberger lesen, sagt mir der Freund. Recht hat er, hier geht es um vier besondere Frauen, einflussreiche Philosophinnen des 20. Jahrhunderts … Wie gut, dass meine Lieblingsbuchhandlung geöffnet ist – und ich dort von der Chefin noch weitere Lesekost empfohlen bekomme.

Einladung zum Taizé-Gesang von einer ehemaligen Kollegin und langjährigen Freundin aus Düsseldorf. Wie wohltuend, am Morgen statt der neuesten – Pandemie-Nachrichten – ein solches Hörerlebnis zu haben!

Apropos Hörerlebnis: Nach dem Bücher-Einkauf in der Stadt will ich durch den Kurpark nach Hause gehen. Schon beim Eintritt in die blühende Landschaft höre ich Violinenklänge. Ein junger Mann steht vor einem großen, farbenfrohen Blumenbeet und gibt ein kleines Konzert. Keine Menschen-Ansammlung, aber – mit gebotenem Abstand auf den weißen Bänken verteilt – Zuhörer und Zuhörerinnen. Sie alle strahlen Freude, Zufriedenheit und Zuversicht aus. Da konnte man nicht vorbeilaufen: einfach innehalten, genießen, dem Geiger  – auch pekuniäre – Wertschätzung entgegenbringen … Und später dieses Erlebnis im Tagebuch notieren, in dem zu Corona-Zeit ganz bewusst nur Positives festgehalten wird.

Die Kühe warten im Museum: Johann Friedrich Voltz, Weidende Kühe am Wasser mit Hirten, 1875
Museum Wiesbaden, Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland (Foto: Museum Wiesbaden/Dirk Uebele)

Schwenk zum Museum: Der Austausch per Telefonverbindung mit engagierten Menschen dort wird gepflegt. Sie halten uns Förderkreis-Aktive auf dem Laufenden, sind bereit, für uns zu schreiben. Siehe diesen Beitrag über den Ausflug in Kirchhoffs Garten, zu dem uns Kustos Roman Zieglgänsberger mitnimmt. Oder wir hören, dass die Schau mit dem neugierig machenden Titel „Von Kühen, edlen Damen und verzauberten Landschaften“ nun darauf wartet, dass sie bald betrachtet werden kann. Hier wird es (wie bei „Exquisit“) um die Liebe zur Malerei aus dem 19. Jahrhundert gehen. Gerne schickt man mir ein Foto für diesen Freunde-Beitrag. Schauen Sie die glücklichen Kühe an!
Ein passendes Künstler-Zitat gefällig? In der Ankündigung der Ausstellung wird der Maler Wilhelm Leibl zitiert, der sagte einst: „Wer Kühe schlecht malen kann, soll sie melken …“

Und ganz zum Schluss gucken wir noch einmal auf eine der Coke-Flaschen: Auch hier wieder ein schöner Spruch: „Die Kunst ist zwar nicht das Brot, wohl aber der Wein des Lebens“, das sagt Jean Paul. Recht hat er. Darauf – und auf die Vorstandsfreundin, die eine so coole Idee hatte – ein Gläschen Wein! Immerhin ist es ja schon Abend!

Ingeborg Salm-Boost

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