Unter Freunden
Kunst auf beiden Seiten
Ergeht es Ihnen manchmal auch so? Sie haben viel Freude an der Bildenden Kunst, Sie sammeln zwar nicht, doch immer wieder mal geraten Sie aufs Neue in Versuchung: Da wäre doch zu Hause noch ein Plätzchen frei für die ganz bestimmte Arbeit eines Künstlers, die bei der Vernissage sofort Anziehungskraft verströmt – und wenn dann der Partner das ebenso verspürt … Auf diese Weise kann so manches Werk ins Haus kommen – ja, und eben immer wieder erfreuen. Auch auf der kürzlich stattgefundenen ARTe – der Kunstmesse im RheinMain CongressCenter – hätte es durchaus zu einer Spontan-Erweiterung des häuslichen Kunstbestands kommen können. Ob es wirklich geschah, lassen wir hier mal offen. In jedem Fall war es eine angenehme Wochenendbeschäftigung, durch die „Kunst-Gänge“ zu schlendern, auch auf einige heimische Galerien und KünstlerInnen zu treffen. Und auf Karl Otto Hy!
Und hier ist die Verbindung zum Museum Wiesbaden. Wer sie nicht gesehen haben sollte: Noch bis zum 29. Oktober ist die spannende Schau „Frank Brabant entdeckt Karl Otto Hy“ geöffnet, eine Ausstellung mit höchst interessanten, teils sozialkritischen Wiesbaden-Motiven des Künstlers, der der neuen Sachlichkeit zugeordnet wird, aber auch mit Porträts. Sie kennen die Geschichte von „Anna“, die im Großformat schon in der Tate Gallery in London ausgestellt war, zur Sammlung Frank Brabant gehört und deren Identität während der Ausstellungseröffnung „entschlüsselt“ werden konnte? Da traf man plötzlich im Trubel der Vernissage auf Annas Enkelin … (Siehe dazu auch „Eine Preview – viele Überraschungen“.)
Und auf der ARTe? Dahin hatte der Kunsthändler Henneken aus Bad Iburg in Niedersachsen eine Mappe mit Zeichnungen des Wiesbadener Künstlers Karl Otto Hy mitgebracht, überwiegend Porträts. Und darunter eines, bei dem man trefflich rätseln konnte, ob es denn wohl die Anna zeige. Zumindest ist die Ähnlichkeit zum Ölbild von gegenüber, im Museum Wiesbaden, nicht zu übersehen. Aber da gab es zum Beispiel auch noch ein äußerst anziehendes, kleines Hy-Aquarell von einer jungen Frau. Dafür wäre doch noch ein Plätzchen zu Hause an einer Wand frei …
Nun gehen wir mal vors RheinMain CongressCenter. Hier wurde in den späten Augusttagen Kunst am Bau enthüllt: die „Congress Sculptures“ der Frankfurter Künstlerin Emilia Neumann. Viele positive Stimmen konnte man hören, mitunter auch eine kritische oder fragende Stimme – so darf das in der Kunst ja auch sein. Einige Freundinnen und Freunde des Museums Wiesbaden werden sich sicher noch gut an unseren Atelierbesuch bei Emilia Neumann in Frankfurt erinnern. Dort bekam man einen Eindruck davon, wie herausfordernd und auch kräftezehrend das Erschaffen der drei (Beton-)Objekte gewesen sein muss, und wir erfuhren bereits etwas über die Philosophie hinter der Kunst. Nun also stehen und liegen diese amorphen Werke, fest verankert in der Erde, in „fließender Farbgebung“, wie Emilia Neumann es ausdrückt, gegenüber dem Museum. Sie laden zum Betrachten und Drumherumgehen ein.
Dass es für sie klar war, in Wiesbaden, der Stadt der Quellen, sich des Themas Wasser anzunehmen, das betonte die sympathisch-offen sprechende Künstlerin am Enthüllungstag. Sie hat mit ganz unterschiedlichen Wassergefäßen gearbeitet. „Gefäße, voll aus der heutigen Zeit“, sagt die Künstlerin, nennt Wassertanks, Regentonnen, Sammelbecken und einiges mehr. Sie hat Erstaunliches geschaffen. Wer mehr aus ihrem Mund über die Entstehungsgeschichte der „Congress Sculptures“ erfahren möchte, hat am 17. Oktober, 17 Uhr, bei uns Freunden die Gelegenheit dazu: Emilia Neumann kommt zu einem Jour Fixe Spezial des Förderkreises ins Museum und wird mit uns nach einer Einführung vor Ort gehen, sie will erzählen, aber auch die TeilnehmerInnen dazu einladen, sich selbst ihr Bild zu machen. Denn „jeder soll das, was er sieht, interpretieren können“, so formuliert sie es.
Aber lassen wir auch Museumsdirektor Andreas Henning einmal sprechen, denn er gehörte der Jury an, die aus acht anonymen Einreichungen die Bewerbung von Emilia Neumann gewählt hat. Die 37-Jährige absolvierte ihr Studium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, bei Professor Wolfgang Luy. Henning lobt eine sehr spezifische künstlerische Formensprache: „Alltagsfundstücke als Ausgangspunkt ineinander verwoben und durchdrungen. Skulptural gedacht und von allen Seiten immer neue Ansichten …“ Er sieht das Thema Wasser gut gewählt, auch im Bezug auf seine gegenüberliegende Wirkungsstätte. Ein „ästhetisch und inhaltlich komplexes Zusammenspiel“, so würdigt der Museumsdirektor die Kunst am Bau fürs RMCC. Martin Michel, Chef der Wiesbaden Congress und Marketing GmbH wünscht sich, dass die Skulpturen zur Visitenkarte des Centers werden.
Zum Schluss noch einmal ein Blick in unser Museum: Unverkennbar ist auch das Werk von HAP Grieshaber. Da darf man sich nun auf eine von Jana Dennhard kuratierte umfangreiche Ausstellung „Form | Sprache“ (Preview und Eröffnung am 21. September) freuen. Kurzer Besuch während des Aufbaus: Noch stehen die meisten Werke an der Wand, Jana und ihr Aufbauteam haben viel zu tun, bis alles genau den richtigen Platz gefunden hat. Eine Überblicksschau soll bis zum 21. Januar das Publikum anlocken, eine Ausstellung, die sich diesem 1981 verstorbenen Künstler nähern soll „zwischen Fragestellungen um die Revolution des Holzschnitts in Deutschland und den soziopolitischen Appellen, die HAP Grieshaber formulierte“, so heißt es in der Einstimmung des Museums auf die Grieshaber-Werke.
Da steht so einiges höchst Eindrucksvolle bereit, an die perfekte Stelle gehängt zu werden. Und die Kunstfreundin denkt mal wieder: Ein solches Grieshaber-Bild, sie schaut auf ein ganz bestimmtes, könnte man sich gut zu Hause, an der Wand vorstellen. Doch das bleibt wohl ein Traum. Hier sind wir nicht auf der Kunstmesse, sondern in unserem Museum, das uns so viele tolle Ausstellungen bietet.
Ingeborg Salm-Boost
PS: Weitere Infos zur Kunst am Bau, „Congress Sculptures“, finden Sie hier.