Unter Freunden

Erinnerung, Entdeckung, klingende Premiere

Sie haben es sicher längst gesehen? In der Kirchgasse, dort, wo Galeria Kaufhof seine Türen für immer geschlossen hat, da, wo wir Wiesbadener ganz früher unseren Horten und danach – wie klang das exklusiv! – das Carsch-Haus hatten, sind die vielen Schaufenster nun Visitenkarten von kulturellen oder etwa sportlichen Vereinen und Institutionen. Gut so, dass die SEG diese Idee hatte. Sie haben es sicher längst gesehen? Auch wir Museumsfreunde „bespielen“ eine der Flächen und laden zum Schauen ein, nicht zuletzt auf Bewegtbilder. Denn sowohl unser Film über das Engagement des Förderkreises und die Vielfalt des Museums Wiesbaden lassen sich von draußen anschauen als auch, auf einem zweiten Bildschirm, beispielsweise eine außergewöhnliche Modenschau, wie sie von Studierenden der Hochschule Fresenius im Museum auf Einladung des Fördervereins stattgefunden hat. Ob das Bildnis der immer wieder imponierenden Eisbärin oder die Liste der guten Gründe, im Verein zu sein – das Schaufenster soll Lust machen aufs Haus der Kunst und Natur.

Im Schaufenster stellt sich der Förderkreis „Freunde des Museums Wiesbaden“ vor und wirbt gleichzeitig für das Haus der Kunst und Natur. Es lohnt sich, genauer hinzusehen! (Foto: Josh Schlasius)

Wie gut, dass wir mit Roswitha Prüll eine engagierte Gestalterin im Boot hatten. Sie, Mitglied bei den Freunden, ist Innenarchitektin und Künstlerin. Gerne war sie  bereit, ihren Sachverstand bei der Gestaltung des Schaufensters einzubringen, mit uns im Brainstorming ein Konzept zu erarbeiten. Nachts lief das „Kopfkino“, erzählt Roswith Prüll – und am Ende war sie selbst – entgegen ursprünglicher Absicht ins Fenster gekrabbelt, um dafür zu sorgen, dass Kunst und Natur so gut zur Geltung kommen. Sie ist sich auch sicher, dass Passanten vor dem großen Aktionstag „Wiesbaden malt“ im November von der Werbung im Fenster angesprochen und angelockt wurden. So mancher, der bislang kein Museumsgast war, hat vielleicht nach dem Blick ins Schaufenster das Museum angesteuert, davon ist die Gestalterin überzeugt.

Sie kümmerte sich ums Freunde-Schaufenster: Roswitha Prüll. (Foto: privat)

Das „Freunde-Fenster“ hätte unserer Museums-Freundin Ricarda Peters ganz bestimmt gut gefallen. Oft war sie in der Stadt zu Fuß unterwegs, stets geschmackvoll gekleidet in dem ihr eigenen exotischen Stil. Sie hätte gewiss Halt gemacht am Freunde-Schaufenster, hätte später bei einem Zusammentreffen gesagt: Großartig, was Ihr da gemacht habt! Ricarda Peters, Künstlerin und Freundin, über die wir auf unserer Website mehrfach geschrieben haben, u. a. im Interview, ist nun schon seit dem 16. Dezember nicht mehr auf dieser Welt. Bis ins hohe Alter im Atelier aktiv gewesen, hat sie sich mit 88 Jahren verabschiedet. Doch auch, als sie schon auf Betreuung angewiesen war, nahm sie noch großen Anteil an allem, was im Museum und in unserem Freunde-Kreis geschah. Sie mochte es, wenn wir ihr bei unseren Besuchen von Ausstellungen und Veranstaltungen erzählten, Fotos zeigten oder kleine Videos.

Inmitten ihrer Arbeiten aus den letzten Schaffensjahren: Ricarda Peters im Kunsthaus. (Foto: Ingeborg Salm-Boost)

Ihr Leben war der Kunst gewidmet, sie war eine „ganz besondere Persönlichkeit“, das sagte die Filmemacherin Stella Tinbergen unlängst vor Publikum: Als im Caligari zum zweiten Mal ihre sehr sehenswerte Dokumentation über die Künstlergruppe50 gezeigt wurde, geschah dies im Gedenken an Ricarda Peters, Mitglied der Gruppe. Zuvor lud Stella Tinbergen im Programmkino vor dem Film dazu ein, auf Ricarda zu schauen, schilderte u. a. eine Verabredung während der Dreharbeiten mit ihr – als die Malerin „das Besondere im Allgemeinen“ zeigen wollte – und dies mit einem leeren Bilderrahmen zu demonstrieren gedachte. Auf der Papier-Mülldeponie …

„Den Männern auf der Deponie sagte sie“, so erzählt es Tinbergen: „Meine Herren, damit werde ich Ihnen beweisen, dass das Besondere überall ist“. Eine Aktion mit Bilderrahmen, die in der Dokumentation wunderbar festgehalten ist. „Ich liebe diese Szene“, sagt Stella Tinbergen, und man wird es sehr gut beim Schauen des Films verstehen. Und die Filmemacherin meint zu Recht: „Von einer Frau wie Ricarda kann man lernen.“ Ja, das kann man, und es verwundert  auch nicht, dass sie – ohne es beabsichtigt zu haben – Auslöserin für den Titel des Films wurde: „Kunst als Schlüssel zur Existenz“. Noch eine Aussage von ihr, die man einfach nicht mehr vergisst, ist diese: „Das Bild ist, was es ist und nichts anderes. Eine Einladung an den Betrachter in die Zeitlosigkeit“. Ricarda Peters lebte ihre Kunst, aber sie interessierte sich auch sehr für andere Kunstschaffende. Häufig nahm sie am Jour Fixe des Vereins teil. Und groß war auch ihre Liebe zur Natur. Was hier im Museum geboten wird, machte sie froh und zog sie immer wieder an.

„Das Besondere ist überall“, das wollte Ricarda Peters auf der Papier-Mülldeponie mit ihrer Bilderrahmen-Aktion demonstrieren. (Foto: Stella Tinbergen)

Wer sie näher gekannt hat, der wird oft an sie denken. Ganz sicher wäre Ricarda ebenso gerne bei unserer Premiere des neuen Formats „Klingendes Museum: Die Sonntagsmatinée“ dabei gewesen. Es gab einen herausragenden Auftakt dieser Konzertreihe, zu der die Freunde des Museums zusammen mit dem Museum Wiesbaden 2024 vier bis fünf Mal einladen. Bei freiem Eintritt können unsere Mitglieder, aber auch andere Gäste, im Vortragssaal hochkarätige musikalische Darbietungen erleben. Alle auftretenden Ensembles haben einen gemeinsamen Bezugspunkt, die „Sinfonietta Mainz“, eines der größten und erfolgreichsten Sinfonieorchester seiner Art im Rhein-Main-Gebiet. In den verschiedenen Formationen treten sowohl Profis als auch Menschen mit anderen Berufen, aber höchstem Anspruch an sich als Musiker sowie Musikstudenten auf. Dass die Freunde das Museum nun so klingen lassen können, verdanken sie dem Kuratoriumsmitglied Frank-Peter Martin. Er, im Bankfach zu Hause und selbst ein passionierter Posaunist, hatte die Idee und natürlich auch die Kontakte, die es für die Umsetzung braucht. Freunde-Geschäftsführerin Martina Mulcahy und Museums-Veranstaltungschefin Suzan Mesgaran brachten dieses ambitionierte Projekt zusammen mit Frank-Peter Martin auf die Schiene. Und die Premiere nun mit dem Bläserquintett Rhénan wurde zu einem wunderbaren Konzerterlebnis am Sonntagmorgen. An die 230 Gäste erlebten den Auftakt mit, goutierten das abwechslungsreiche Programm und das, was die vier Musiker und eine Musikerin so anschaulich zu jedem Werk kurz erläuterten, mit herzlich-starkem Applaus. Ein klingender Vormittag in sehr angenehmer Atmosphäre – das empfanden auch die Mitglieder des Quintetts so. Die nächste Sonntagsmatinee findet am 26. Mai statt.

Im nachfolgenden Video von Dr. Joachim Kern wurde ein kurzer Ausschnitt des Konzertes festgehalten, auf der Bühne musizieren (von links nach rechts) Claudia Puschl, Tobias Görgen, Marc Schmiedhäuser, Ruben Müller und Stefan Jacobs.

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Lassen Sie mich „Unter Freunden“ noch einen Blick auf eine höchst beeindruckende Entdeckung werfen und darauf, was diese ausgelöst hat. Eine zentrale Rolle spielt dabei ein Mitglied unseres Förderkreises: Thilo von Debschitz, einer der beiden Chefs von Q, der Wiesbadener Strategie- und Designagentur, mit deren professioneller Hilfe die Freunde ihre Inhalte auf diese Website bringen. Thilo von Debschitz, Designer und Buchautor, machte einen Sensationsfund und sorgte gemeinsam mit seinem kreativen Team dafür, dass der kreative Nachlass von Curt Bloch für die Weltöffentlichkeit sichtbar geworden ist.

Hat uns auch noch nach acht Jahrzehnten einiges zu sagen: Curt Bloch ist nun eine umfangreiche Website gewidmet. (Foto: Q)

Wer war Curt Bloch? Er versteckte sich als deutscher Jude vor den Nazis in den Niederlanden und gab im Versteck insgesamt 96 kleine Hefte mit rund 500 deutschen und niederländischen Gedichten heraus. Der Titel der Magazine: „Het Onderwater-Cabaret“ („Das Unterwasser-Kabarett“). Im Angesicht des aufflammenden Rechtsextremismus und Antisemitismus lesen sich diese Texte nun nach 80 Jahren (leider) wieder sehr aktuell. Mit seinen Versen gewährte Bloch Einblicke in seinen Gemütszustand voller Verzweiflung und in Sorge um seine engsten Angehörigen – so mit dem Gedicht „Ein Gruß“ an seine geliebte Schwester Helene. (Zum Zeitpunkt, zu dem er seine Zeilen an Helene schrieb, war sie jedoch bereits im Vernichtungslager Sobibor ermordet worden.) Mit spitzer Feder verspottete Curt Bloch außerdem die Faschisten, z. B. im Gedicht „Der schiefe Turm von Pisa“.

„Het Onderwater-Cabaret“ – 96 kleine Hefte gab Curt Bloch während seiner Zeit im Untergrund heraus, als er sich in den Niederlanden vor den Nazis versteckte. (Foto: Q)

Im Jüdischen Museum Berlin fand am 9. Februar die Eröffnung einer Ausstellung zu Curt Bloch und seiner bislang unbekannten Arbeit statt. In den gesamten Kosmos des wundersamen Bloch’schen Unterwasser-Kabaretts kann man aber auch auf der in der Agentur Q akribisch erarbeiteten Website eintauchen: www.curt-bloch.com. Außerdem spricht Thilo von Debschitz in Schulen, um auch jungen Menschen die Gedichte von Bloch nahzubringen – so in dieser Woche in der Eichendorff-Gesamtschule in Kelkheim. Übrigens hat er, bevor er mit seinem Q-Team die aufwendige Dokumentation im Internet anging, die 98 Jahre alte Witwe und die Tochter Blochs in New York besucht, wo das Vermächtnis Curt Blochs über Jahrzehnte im Bücherregal aufbewahrt wurde. Eine Begegnung, die tiefe Eindrücke hinterließ.

Ingeborg Salm-Boost

 

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