Gesichter des Museums

Folge 11: Fritz Geller-Grimm, Leiter der Naturhistorischen Sammlungen

Fritz Geller-Grimm (Foto: Bernd Fickert)

Treffen mit Fritz Geller-Grimm in seinem Reich, ein großes Zimmer mit mehreren Arbeitsplätzen. Kein stiller Ort. Hier herrscht Leben. Kurz spricht er noch mit der Praktikantin, dann mit einem der Ehrenamtlichen, die so unentbehrlich für die Natur im Museum sind. Schließlich ist der quirlige Chef der Naturwissenschaftlichen Abteilung bereit zum Gespräch für unsere Serie „Gesichter des Museums“. Den morgendlichen Rundgang durch die Museumsräume hat er schon hinter sich, die Reinigungsdame, die „traumhaft mit den Vitrinen umgeht“, hat er begrüßt. Der Biologe könnte mit seinem unglaublichen Wissen Bände füllen, macht die Welt der Krabbeltiere für jeden spannend und freut sich über den Jugendstil. Er ist einverstanden, dass wir auf dieser Freunde-Seite im Schnelldurchlauf seine Welt streifen. Es muss ja nicht das letzte Mal sein …


Herr Geller-Grimm, wie kommt denn die Ausstellung „Mit fremden Federn“ an, die noch bis zum 8. März zu sehen ist?

Relativ gut. Es ist keine typische Ausstellung für das junge Publikum wie Schüler und Kita-Kinder. Aber auch hier gibt es spielerische Elemente. Übrigens: Wir sprechen in allen Ausstellungen gerne die Gäste direkt an. Auf diese Weise haben wir schon manche Ehrenamtlichen gefunden, die eine persönliche Bindung zum Haus aufgebaut haben. Ich habe es dieser Tage erst wieder erlebt und zwei neue Ehrenamtliche gewonnen.

Bleiben wir mal bei den Sonderschauen: Welche war für Sie in den vergangenen Jahren denn die spannendste, welche die besucherstärkste?

Die mir Heiligste, das war die letzte vor dem Umbau 2008: „Mit Bildern Wissen schaffen – Kleine Geschichte der Naturillustration“. Unter www.wissensbild.de kann man das jetzt noch nachvollziehen. Aus dem Bestand der Landesbibliothek und des Museums werden Naturillustrationen aus acht Jahrhunderten gezeigt. Die originalen Naturobjekte konnten damals in der Ausstellung mit den Zeichnungen verglichen werden …

Sie geraten ins Schwärmen, wurde die Ausstellung denn damals auch gut angenommen?

Na ja, sie war bei den Besuchern nicht so sehr beliebt. Aber wir müssen als Landesmuseum auch einem Bildungsauftrag nachkommen.

Und wohin strömen die Besucher?

In die Eiszeit zum Beispiel. Das spricht Kinder und Erwachsene gleichermaßen an. Und natürlich waren die Dinos in den achtziger Jahren, vor meiner Zeit, am stärksten besucht. Dabei war das eine inhaltslose Ausstellung. Wir haben in Hessen so gut wie keine Dinos, nur in der Korbacher Spalte bei Kassel … Der frühere Direktor Volker Rattemeyer hatte damals diese Ausstellung gekauft. Übrigens, bei den „fremden Federn“ sind indirekt ja die Dinos dabei, Vögel sind Dinosaurier. Es gibt jede Menge klassische Dinos mit Federn.

In der renommierten ZEIT stand einmal ein großer, wertschätzender Artikel über die Natur im Museum Wiesbaden. Von einer Million Exponaten war die Rede. Stimmt das heute so noch?

Heute sind es mehr als eine Million Objekte, rund 1,25 Millionen. Unsere Hauptaufgabe ist Sammeln und Bewahren. In der Wissenschaft sind die Kollegen in Darmstadt viel aktiver. Wir Wiesbadener sind Dienstleister für die Wissenschaft, aber natürlich forschen wir auch ein Stück weit selbst. Die Naturmuseen sind die Wissensspeicher der Biologen und Geologen. Das ist der Politik manchmal schwer klarzumachen, aber wir hier in Wiesbaden müssen nicht jammern.

Sind Sie mit dem Personaltableau zufrieden?

Als ich anfing, war da ein Mitarbeiter. Heute sind es hauptamtlich zwei Wissenschaftler, ein Gastwissenschaftler, ein wissenschaftlicher Volontär. Und hinzu kommen weitere Mitarbeiter wie etwa Präparatoren oder der Magazinverwalter. Insgesamt sind wir neun. Wir haben hier bei uns niedrige Hierarchien, das liebe ich. Wenn es wenige sind, muss jeder alles machen.

Wie war das vor 2013, als Sie wieder eröffnet haben?

2001 haben wir das erste Umbaukonzept vorgelegt. Es wurde rund drei Jahre diskutiert. Das Tolle dabei war, dass wir alles selbst gemacht haben! Volker Rattemeyer ließ uns freie Hand. Und wir haben die Ästhetik der Natur konzipiert, haben an dieser Dauerausstellung gearbeitet. Wir brauchten außer für die Typografie keine Firmen. Vor der Eröffnung war wirklich alles furchtbar. Es gab nur einen geöffneten Naturraum. Der Exotenraum war chaotisch gestaltet. In den Fußböden und in den Vorhängen war Formaldehyd. Das musste als Zwischenlösung, bis zur großen Sanierung, entfernt werden. Dann kamen auch wieder die Schulklassen …

Es war doch auch mal geplant, dass die Natur das Museum verlässt …

Ja, nicht nur der Direktor wollte uns raushaben … Aber schauen wir nicht zu weit zurück. 2005 wurden vom Land Sondermittel signalisiert, dann ging es aufwärts.

Huckepack: der „Insekten-Mann“ im Museum unterwegs. Hier am Stand der Freunde des Museums mit beweglichen Anschauungsmaterial. (Foto: Elke Fuchs)

Nochmal ein Blick auf die „Ästhetik der Natur“ – ein toller Name für die Dauerausstellung! Da gab es ja auch beim Einrichten eine Symbiose mit Künstler-Hilfe …

Das stimmt, wir wollten zwar keine gemischten Räume. Aber die Künstler Auke de Fries und Vollrad Kutscher kamen als Gestalter. Denken Sie nur an die Nester-Vitrine von de Fries. Das hat Spaß gemacht! Auch mit Kutscher und seinem Kartoffelkino und den Wassertropfen. Wir hatten damals viel im Vorfeld diskutiert, uns gefragt: Darf Natur Kunst kopieren? Wir kamen zum Ergebnis, dass das Verhältnis von Kunst und Natur durch gegenseitigen Respekt getragen sein muss. Es war eine wunderbare Zusammenarbeit mit den Künstlern!

Da sind wir schon beim Verhältnis Kunst und Natur in diesem Haus. Früher fühlte man sich in Ihrer Sparte vernachlässigt. Sind Sie heute mit der Gewichtung zufrieden?

Wir gehen sehr kollegial und fair miteinander um. Der Etat für die Kunst ist zwar erheblich höher, aber wir wissen, dass wir zu den am besten geförderten Museen in der Natur gehören. Der Etat erlaubt es, mindestes drei Ausstellungen im Jahr zu präsentieren.

Alexander Klar hat sich verabschiedet, was wünschen Sie sich vom neuen Direktor Andreas Henning, der im Interview auf der Freunde-Website versicherte, dass er sich ganz besonders darüber freut, in ein Zwei-Sparten-Haus zu kommen.

Ich wünsche mir einen respektvollen Umgang, wie ich ihn bisher erlebt habe.

Ihr erster Eindruck von ihm?

Er hatte sich den Mitarbeitern eine halbe Stunde lang vorgestellt, nicht nur bei der Presse. Das war gut. Er wirkt auf mich sehr frisch, sehr interessiert an der Konstellation unseres Museums.

Apropos Konstellation: Wie gefällt Ihnen nun die neue Verbindung, die dank der Jugendstil-Sammlung von Ferdinand Wolfgang Neess zustande gekommen ist?

Das ist für unser Museum perfekt. Wir haben in der „Ästhetik der Natur“ ja Ernst Haeckels „Kunstformen der Natur“ als dauerhafte Präsentation. Und gleich gegenüber den Jugendstil. Im besten Fall sollten die Besucher zunächst zur „Formenvielfalt“ gehen, die ja Inspirationsquelle für Künstler war, und dann in den Jugendstil …

Zeit, über Sie zu sprechen. Bei Ihren Führungen und Vorträgen reißen Sie die Besucher durch Ihre eigene Begeisterung fürs Thema mit. Ist Ihnen diese Gabe in die Wiege gelegt?

Lassen Sie mich das mit Humor beantworten: Mein Vater hat auch immer viel gesprochen und bekam manchmal den Hinweis, mal still zu sein … Im Ernst, ich muss darauf achten, dass andere zu Wort kommen.

Ihr liebstes Biologie-Feld sind die Insekten. Sie mögen sehr die Krabbeltiere, sagt man. Stimmt das?

Eine Lieblingsblume hatte ich nie. Und Krabbeltiere haben wirklich viel mehr zu bieten als man gemeinhin denkt. Sie sind Individuen, mit denen man sich sehr eingehend befassen kann.

Großer Rosenkäfer – eines der von Fritz Geller-Grimm bewunderten Krabbeltiere. (Foto: Fritz Geller-Grimm)

Kommen wir noch auf die Ehrenamtlichen zu sprechen, die spielen eine große Rolle in der Natur des Museums?

Ohne sie ginge gar nichts. Die Ehrenamtlichen – rund dreißig – leisten im Jahr 10.000 Stunden Arbeit bei uns. Als ich vor 22 Jahren aus Darmstadt kam, herrschte in dem großen Raum, in dem ich heute arbeite, große Ruhe, in Darmstadt war immer Action. Heute ist es ganz anders, und darüber freue ich mich. Ein Museum soll doch ein Haus der Bürger sein. Auch darüber, dass die Freunde des Museums so eng mit uns arbeiten, freue ich mehr sehr.

Wie ist das Zusammenspiel mit dem Nassauischen Verein für Naturkunde, der vor 190 Jahren das Naturhistorische Museum gegründet hat?

Wir haben ein gemeinsames Bildungsprogramm und arbeiten kontinuierlich zusammen. Früher haben die Vereine ja das Museum geführt. Heute ist die Museumsarbeit abgekoppelt.

Wie sieht es mit der modernen Technik aus?

Mitte des Jahres sind wir soweit. Die 500 Texte, die man dann über eine App mit dem Smartphone abrufen kann, sind fast fertig. Die Technik ist eingerichtet. Der Programmierer muss jetzt ran. Hannes Lerp, unser Kurator für die digitalen Sammlungen, hat gute Arbeit geleistet.

Haben Sie ein Lieblingsexponat?

Jedes Jahr kommen neue Dinge dazu, das ist mein Lebenselexier. Ich bin mitten in der Schatzkiste und das ist gut so.

Noch einen Wunsch fürs Museum dürfen Sie äußern.

Dass der Anbau kommt!

Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost


Zur Person
Fritz Geller-Grimm leitet seit 1997 die Naturhistorischen Sammlungen des Museums Wiesbaden. Er ist Diplom-Biologe und zoologischer Präparator. Der 54-Jährige hat zwei Kinder, er lebt mit seiner Frau in Frankfurt und kann zuhause auf volle Unterstützung bei seiner spannenden Arbeit bauen. In seiner Freizeit ist er gerne mit dem Fotoapparat in der Natur unterwegs. „In der Zoologie ist die ganze Welt versammelt“, heißt einer seiner markanten Leitsätze.

 

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