Interview mit Reinhard Ernst

Der Direktor wird noch gesucht

Es macht Freude, sich mit Reinhard Ernst über sein Museumsprojekt zu unterhalten. Und auch, wenn er ständig Videokonferenzen absolviert, es ihn täglich zur Großbaustelle in der Wilhelmstraße zieht und er sich „um jede Ecke“ selbst kümmern will, nimmt sich der Sammler gerne die Zeit, uns Freunden über den momentanen Stand zu berichten. Und so können wir nun – nach einem Gespräch im Oktober 2017 und im August 2019 – ein drittes Interview mit ihm anbieten. Auch mit dem neuen Direktor des Museums Wiesbaden steht Reinhard Ernst in gutem Kontakt, die Zusammenarbeit ist beiden ein großes Anliegen. In dem vom großen japanischen Architekten Fumihiko Maki geplanten Haus werden schwerpunktmäßig abstrakte deutsche und europäische Nachkriegskunst, abstrakte japanische Kunst und abstrakter amerikanischer Expressionismus zu sehen sein. Auch Sonderausstellungen sollen stattfinden.


Beeindruckt von der Kreativität der Nachwuchskünstler: das Stifterehepaar Sonja und Reinhard Ernst in der Bauzaunausstellung (Foto: Jana Dennhard)

Herr Ernst, mit dem Projekt „Abstraktion im Quadrat“ haben Sie ein Zeichen gesetzt. Sie wollen junge Menschen so früh wie möglich an die abstrakte Kunst heranführen – und dies kündigt die Stiftung nun wunderbar mit einer Gemälde-Galerie an der Wilhelmstraße an …

Ja, sie soll genau dies signalisieren, wir wollen die Kinder und Jugendlichen schon langsam an unser Museum heranführen. Sie sollen Lust darauf bekommen, bei uns mit speziellen Hilfsmitteln zu experimentieren. Und dann können sie sich im Museum Wiesbaden beim Malen mit Farbe ausleben. Dort passiert ja extrem viel in Bereich Bildung und Vermittlung. Eine enge Zusammenarbeit wird angestrebt. Wir brauchen natürlich auch pädagogisches Know-how in unserem Team.

Bleiben wir noch kurz bei der Nachbarschaft mit dem Landesmuseum. Sie haben sich sehr gut mit Alexander Klar verstanden, der sich in der Stadt sehr für Ihre Museumsidee eingesetzt hat. Sind Sie auch mit dem Nachfolger, Andreas Henning im Kontakt?

Wir haben uns zu zwei Gesprächen getroffen, ich bin sicher, die Zusammenarbeit wird gut funktionieren. Dr. Henning ist ein sehr zugänglicher, kompetenter Mann. Wenn wir näher an die Eröffnung unseres Hauses kommen, werden wir auch über gemeinsame Ausstellungsprojekte nachdenken.

Wie sieht es denn mit der Personalplanung für das Museum Reinhard Ernst aus? Ist der Direktor oder die Direktorin schon gefunden?

Noch nicht. Die Stelle ist ausgeschrieben. Wir brauchen einen Menschen, der sowohl fachlich für unsere Kunst geeignet ist als auch Führungsqualitäten hat. Und nicht zu vergessen, die Person sollte auch etwas von Soll und Haben verstehen, also betriebswirtschaftliche Kenntnisse mitbringen. Bis Januar wollen wir die Personalfrage gelöst haben.

Eine Schülerin und zwei Schüler der Montessori Schule Wiesbaden stolz vor ihrem Gemälde, das in ihrer Grundschule für die Bauzaunausstellung entstanden ist. (Foto: Jana Dennhard)

Sie erhalten bestimmt eine Menge Bewerbungen für Positionen im Museum für abstrakte Kunst, es ist ja spannend, bei  einem solchen Start dabei zu sein …

Oh ja, ich kann sie gar nicht alle selbst sichten, es findet eine Vorauswahl durch den Museumsbeirat statt.

Gehen wir auf die Baustelle: Hat die Pandemie im Zeitplan eigentlich keine Probleme gebracht? Zuvor war der Tiefbau ja schon schwierig genug.

Ja, der war wirklich diffizil und hat uns immer wieder vor Herausforderungen gestellt. Wir haben gut mit allen zuständigen Behörden zusammengearbeitet. Zur Pandemie: Es läuft ganz normal. Die Fachleute kommen alle aus osteuropäischen Ländern. Viele von ihnen sind hochspezialisiert, etwa Eisenbieger, Eisenknüpfer oder Betonfachleute, solche Spezialisten haben wir hier gar nicht mehr. Es tut mir leid für die Arbeiter, aber sie können derzeit wegen Corona nicht nach Hause reisen. Manchmal sind bis zu achtzig Arbeiter auf der Baustelle, in der Regel sind es etwa fünfzig

Sie selbst sind oft vor Ort?

Ja, jeden Tag schaue ich, was passiert. Bei uns werden keine Fertigteile verarbeitet, wir arbeiten mit Ortbeton. Die Eisenteile werden vor Ort zusammengeführt. Was allerdings bedauerlich ist: Michel van Ackeren aus dem Architekturbüro Maki kann derzeit wegen der Pandemie nicht nach Deutschland reisen, denn er dürfte dann als Ausländer – er ist Amerikaner – nicht mehr nach Japan zurückkehren. Also muss alles mit Videokonferenzen stattfinden. Wir haben Hoffnung, dass Michel van Ackeren im Oktober wieder kommen kann.

Es bleibt dabei: Mitte 2022 wird eröffnet?

Ja, davon gehe ich aus. Die Ausschreibungen für den Ausbau gehen jetzt raus.

Haben Sie eigentlich schon Interessenten für die Gastronomie?

Die Ausschreibung kommt noch. Bisher habe ich noch keine ernsthaften Anfragen. Das hängt möglicherweise mit der jetzigen Corona-Lage zusammen.

Sie haben rund 800 museale Werke in Ihrer Sammlung. Bleibt Ihnen eigentlich noch Zeit, sie zu erweitern?

Nein, viel Zeit bleibt dafür nicht. Ich habe aber kürzlich einen Fred Thieler erworben, ein riesiges Bild von dem deutschen Künstler des Informel.

Werden Sie sich im Museum Wiesbaden auch die Ausstellung „Speed of Light“ mit den Werken von Winston Roeth ansehen?

Das will ich mir anschauen. Von ihm gibt es schöne Sachen.

Noch ein Wort zur Ausstellungsfläche im Museum Reinhard Ernst …

Von den ca. 9000 Quadratmetern werden knapp 2000 Quadratmeter Ausstellungsfläche sein. Die erste Sonderausstellung soll dem Schaffen unseres Architekten Fumihiko Maki gewidmet sein.

Zum Schluss die Frage: Haben Sie den Eindruck, dass der Zuspruch in der Bevölkerung für Ihr Projekt wächst, von dem Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende gesagt hat, so etwas geschehe nur alle 100 Jahre und sei ein Glücksfall für die Stadt?

Mein persönliches Empfinden ist: Ja, der Zuspruch wächst. Ich werde doch öfter mal angesprochen und man sagt: „Toll, was Sie hier machen.“ Ich möchte auch betonen, dass die Zusammenarbeit mit der Stadt ganz problemlos läuft.

Das Gespräch führte Ingeborg Salm-Boost

Die siebzehnjährige Isabel schuf dieses spannende abstrakte Werk in der Kulturwerkstatt des Jugendhilfezentrums Johannesstift, betreut wurde sie dabei vom Wiesbadener Künstler Udo Gottfried. (Foto: Jana Dennhard)

Die in diesem Beitrag präsentierten Bilder stammen von der Eröffnung der Bauzaunausstellung „Abstraktion im Quadrat“, die am 13. September 2020 stattfand. Ziel war, Kinder und Jugendliche zur Auseinandersetzung mit abstrakter Kunst zu motivieren. Die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung stellte Farben und Pinsel zur Verfügung, elf pädagogische Einrichtungen aus Wiesbaden beteiligten sich, Schülerinnen und Schüler verschiedener Altersgruppen malten abstrakte Kunstwerke auf Tafeln mit der Größe eines Quadratmeters. Dabei sind 76 farbstarke Arbeiten entstanden, die für das Thema „Abstraktion“ ganz unterschiedlicher Positionen bieten; für Besucher des Museums Wiesbaden lohnt sich der Blick auf das Nachbargrundstück und ein Kunstspaziergang entlang des Bauzauns. Auch ein quadratischer Ausstellungskatalog wurde von der Stiftung herausgegeben. Ein ausführlicher Bericht zur Eröffnung und weitere fotografische Eindrücke sind auf der Website des Museum Reinhard Ernst zu finden.

 

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