Joseph Beuys verbindet

Niemöller-Schule nun „Außenstation des Museums“

Welch ein schönes Zusammentreffen in der Beuys-Sammlung unseres Museums Wiesbaden, welch eine angeregte Gesprächsatmosphäre zwischen den Exponaten, darunter auch das Bild des eine Eiche pflanzenden Künstlers Joseph Beuys … Ja, und um die Aktion „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“, die 1982 nicht nur auf der documenta 7 für als ökologisches Gesamtkunstwerk für Furore sorgte, sondern weltweit Aufsehen erregte, ging es auch bei dieser Zusammenkunft im Museum Wiesbaden.

Dieses Exponat gehört immer schon zur Sammlung, die Dr. Murken dem Museum vermachte: Blick auf den eine Eiche pflanzenden Künstler Beuys. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Erst ein Blick zurück: Was damals in Kassel Joseph Beuys gemeinsam mit der Bevölkerung in Gang setzte, beeindruckte junge Leute des Wiesbadener Oberstufengymnasiums am Moltkering, heute Martin-Niemöller-Schule, sehr. So sehr, dass sie, die sich auch stark mit dem Thema Ökologie auseinandersetzten, es schafften, einen der Bäume samt dazugehöriger Basaltstele nach Wiesbaden zu bringen. Das hätte so nie geklappt, wären da nicht äußerst engagierte Kunstlehrer gewesen, die das Vorhaben der Schüler und Schülerinnen der Leistungskurse Kunst unterstützten … Und hätten nicht so viele SchülerInnen mitgemacht – denn es mussten 500 DM für die „Wiesbadener Eiche“ zusammenkommen. Und noch einmal 500 DM waren für eine zweite Eiche fällig, denn – so lautete das Abkommen im „Baumbüro“ in Kassel – dieser Baum musste für die documenta-Stadt von den Wiesbadenern gespendet werden. Die Beuys-Eiche für Wiesbaden sie soll übrigens die erste gewesen sein, die ihren Weg in eine andere Stadt fand.

Die Wiesbadener Beuys-Eiche auf dem Gelände der Martin-Niemöller-Schule. In Zukunft soll sie besser zu finden sein. (Foto Harald Pulch)

Die jungen Aktiven von damals sind wohl „in alle Winde verweht“, die schon lange im Ruhestand lebenden Pädagogen aber, die waren nun unter den Gästen im Museum: Klaus Dettke und Frank Müller haben noch gute Erinnerung an das Abenteuer mit all seinen Facetten, leider bis hin zu mehrmaligen Versuchen von Beuys-Hassern an der Schule, die auf dem Gelände bei einem Happening gepflanzte Eiche zu zerstören. Und die Lehrer standen nun auf Einladung des stellvertretenden Direktors und Kustos für moderne und zeitgenössische Kunst, Jörg Daur, in der Beuys-Sammlung. Mitgebracht hatten sie etwas ganz Besonderes: das Zertifikat zur Wiesbadener Beuys-Eiche, das als Leihgabe seinen Platz in der Sammlung finden soll! Mit von der Partie im Beuys-Raum waren der Schulleiter, Oberstudiendirektor Kai Hertrich, und vor allem die Pädagoginnen, die das fast vergessene Projekt im Jahr des 50-jährigen Bestehens der Schule ins Bewusstsein rücken möchten: Die Ehemaligen Helga Seegräber, Rita Flad, Christiane Steitz sowie Rikke Salomo, heute Lehrerin und gleichermaßen engagiert in der Sache. Und noch jemand gehörte in die Runde: Teresa Corceiro die mit ihrem Film „Der Beuys-Eiche auf der Spur“ – gesendet in 3sat Kulturzeit und noch bis November 2025 in der Mediathek abrufbar – sicherlich die Initialzündung für diese ganz besondere „Wiederbelebung“ gegeben hat (siehe Interview auf dieser Website).

Beuys würde das gefallen: In der Sammlung des Museums findet die Übergabe des Zertifikats für die Eiche statt. Von links nach rechts: Rita Flad, Schulleiter Kai Hertrich, Rikke Salomo, Helga Seegräber, Frank Müller, Jörg Daur, Klaus Dettke, Teresa Corceiro und Christiane Steitz. (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Toll aber, dass nun die drei ehemaligen Lehrerinnen und ihre aktive Kollegin den Ball sofort aufgenommen und die Initiative ergriffen haben: Sie haben dafür gearbeitet, dass die Eiche endlich sichtbar werden soll für die Wiesbadener Bevölkerung, dass ein Pfad zu ihr und der Original-Basaltstele führen wird. Und sie meinen, dass diese Geschichte aus dem Jahr 1982 „Umweltbewusstsein, Kultur-Teilhabe, demokratische Gestaltung, Engagement und Beharrlichkeit der Wiesbadener SchülerInnen verdeutlicht und damit beispielhaft ist für eine demokratische und offene Schulkultur“. Die Ehemaligen wollen in Absprache mit dem Schulleiter diesem „von den jungen Menschen installierten Kulturdenkmal“ eine angemessene Beachtung verschaffen. Und noch etwas finden die Pädagoginnen wichtig: dass die Beuys-Eiche im Unterricht eine Rolle spielt. Das sieht auch Schulleiter Kai Hertrich so und betont: „Anlässlich des Schuljubiläums soll das kulturelle Potenzial der Eiche mit ihrer Geschichte genutzt werden.“ Er spricht sich dafür aus, das Thema in den Unterricht einzubringen. Auch weitere Veranstaltungen sind dieses Jahr geplant.

Wenn nun das Zertifikat zur Eiche im Museum gerahmt und seinen Platz finden wird, so ist dies in der Tat nicht alles: Vielmehr ist eine Zusammenarbeit zwischen Schule und Museum besiegelt. „Wie kommt die Beuys-Eiche ins Klassenzimmer?“, so hieß die Frage, als sich bereits vergangenes Jahr im November die gesamte Fachschaft Kunst sowie Kunstpädagogen aus anderen Schulen im Haus der Kunst und Natur mit der Museumsvermittlung trafen. Es ging darum, Konzepte zur Vermittlung von Beuys’ Œuvre im Unterricht zu erarbeiten. Das hat Kustos Jörg Daur auf den Weg gebracht: „Wir freuen uns sehr darüber, dass wir der neue Ort für das Zertifikat der Beuys Eiche sein dürfen. Die Martin-Niemöller-Schule wird damit zur Außenstation des Museums, und wir zeigen mit unserer Beuys-Sammlung den Kontext der Aktion 7.000 Eichen auf.“ Im Herbst soll es auch eine Veranstaltung mit Blick in die Zukunft geben, neben Teresa Corceiro und Jörg Daur sollen nicht zuletzt SchülerInnen von heute mit auf dem Podium sitzen.

Eine Collage mit dem Zertifikat zur Eiche, die nach Wiesbaden gebracht werden durfte. Die Collage stammt aus der Ausstellung, die der frühere Kunstlehrer Frank Müller 2023 in der Westend-Galerie zur Beuys-Aktion gezeigt hatte. (Foto: Frank Müller)

Übrigens: Auch Museumschef Andreas Henning ist es wichtig, dank der Schenkung des Medizinhistorikers Axel Hinrich Murken Joseph Beuys im Haus der Kunst und Natur zu haben, er spricht von einer „schönen Bandbreite an Objekten, an denen der erweiterte Kunstbegriff verdeutlicht wird, einschließlich der ökologischen Fragen“ .Während eines Rundgangs antwortete Andreas Henning mir einmal auf die Frage, warum ihm Beuys so wichtig sei, folgendes: „Weil er die Kunst und die Menschen miteinander verschweißt. Er hat gezeigt, dass die künstlerischen Prozesse nicht nur im Atelier stattfinden, sondern auch im menschlichen Denken. Das führt zu der großartigen Tatsache, dass Kunst überall stattfinden kann.“ Dies passt ja auch wiederum zur Wiesbadener Beuys Eiche, Kunst also auf dem Schulgelände – bald besser zu finden! Dazu sagt abschließend Jörg Daur: „Die Eiche wurzelt bei Beuys und wächst im Schulgarten – eine schöne Verbindung ganz im Sinne des Künstlers.“

Ingeborg Salm-Boost

PS: Sehr gerne haben wir vom Förderkreis das Zusammenkommen der Martin-Niemöller-Schule und des Museums Wiesbaden begleitet.

 

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