Unter Freunden

Tanzen, hören, sehen, sich freuen …

Eine Mittagsstunde im August. Ich sitze am Schreibtisch, schaue zuerst hinaus ins Grüne und dann auf die drei fast schwebenden Frauen, die so viel Leichtigkeit des Seins versprühen – ein Zwintscher-Motiv. Sie haben das Bild vielleicht auch vor Augen? Es zierte den Flyer, mit dem zum Sommerfest des Museums Wiesbaden und zur Finissage der Ausstellung „Oskar Zwintscher – Weltflucht und Moderne“ eingestimmt worden war. Das erfolgreiche Fest ist vorbei, die Einladung dazu habe ich sehr bewusst noch neben dem Laptop liegen, denn auch wenn das (unvollendete) Werk „Lenzrausch“ den Frühling feiert, es passt wunderbar in die Sommerzeit, macht gute Laune.

Macht gute Laune, auch im Sommer: Oskar Zwintschers „Lenzrausch“ (unvollendet, um 1915/1919). Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, Museen der Stadt Dresden

Ein kurzer Blick zurück auf das Sommerfest vor unserem Museum – bei gutem Wetter! Kunstfreudige Menschen kamen in Scharen, trafen auf Gleichgesinnte, fühlten sich sichtlich wohl. Am Nachmittag schon hatten viele Kinder mit ihren Familien Mega-Spaß im Freiluftatelier, am Abend gab’s Livemusik von Ako Karim mit seiner Band und Dominik Schumacher. Pralles Leben vor dem Museum!

Apropos Musik: Wie aus dem Nichts ist plötzlich eine begnadete Tänzerin vor der Bühne und zieht viele Blicke auf sich, bewegt sich mit Leidenschaft zu Klezmer-Musik ebenso wie zu orientalischen Klängen, tanzt Tango und scheint in einer anderen Welt zu sein … Es ist die Veranstaltungsmanagerin des Museums, Suzan Mesgaran. Wer sie kennt, weiß, dass Tanzen seit mehr als 20 Jahren ganz stark zu ihrem Leben gehört, sie es im Westend in der Flamenco-Schule Jaleo zelebriert. „Jaleo“, ein spanischer Bühnentanz des 19. Jahrhunderts, so kann man nachlesen. Mit dem Musiker Ako Karim ist Suzan Mesgaran schon häufiger unterwegs gewesen. Diesmal, beim Sommerfest, war es ein Spontanauftritt von ihr. Suzan schildert mir später, wie sehr sie sich im Tanzen findet, weil sie die Musik in sich fließen lässt und das zum Ausdruck bringen kann. Ja, das konnte, wer ihren Bewegungen folgte, sehr gut verstehen.

Das Tanzen ist ihre Passion: Suzan Mesgaran, hier im Flamenco-Outfit (Foto: privat)

Unter den vielen bekannten Gesichtern vor dem Museum, darunter auch heimische KünstlerInnen, gab es ein überraschendes Zusammentreffen mit Sabrina Haunsperg. Die Künstlerin aus Düsseldorf fühlt sich Wiesbaden verbunden, hat sie doch 2019 an der großen Ausstellung „Jetzt! – Junge Malerei in Deutschland“ teilgenommen. Die Atmosphäre vor dem Museum gefiel ihr und ihrem Mann sichtlich.

Kommt immer wieder gern nach Wiesbaden: die Düsseldorfer Künstlerin Sabrina Haunsperg, hier mit Kustos Roman Zieglgänsberger (Foto: Ingeborg Salm-Boost)

Gehen wir nun kurz hinein ins Haus der Kunst und Natur, wo übrigens jede(r) beim Sommerfest freien Eintritt zu Oskar Zwintscher sowie zur Ausstellung „Vom Wert des Wassers – Alles im Fluss?“ hatte. Hier feierte vor kurzem ein Freund des Museums seinen 85. Geburtstag: Manfred Misselhorn. Er und seine Frau Ursula sind nicht nur langjährige Förderkreis-Mitglieder, sondern auch privat verlässliche Unterstützer des Museums bei Neuerwerbungen – was vor allem Kustos Peter Forster dankbar zu schätzen weiß. Denn immer wieder kann er bei dem Paar anklopfen, wohlwissend um deren gute Vernetzung in der Stadt und ihr Talent, Menschen aus ihrem Umfeld zu motivieren, sich ebenfalls einzubringen. Keine Frage, dass der Bauingenieur Manfred Misselhorn, in jungen Jahren übrigens ein Weltklasse-Ruderer und Regatta-Teilnehmer bei den Olympischen Spielen in Tokio, zum halbrunden Geburtstag keine Geschenke wollte, sondern um einen Obolus für den Ankauf eines Kunstwerks bat. Peter Forster schwärmt von dem Idealismus der Misselhorns, die gerne für „ihr Haus“, das Museum Wiesbaden, aktiv sind.

Immer wieder spannend: die DNA-Porträts des Künstlers Kevin Clarke. Hier steht er mit drei Mitgliedern unseres Förderkreises vor den Bildern, die er zu Joseph Beuys geschaffen hat. Die Freunde des Museums waren zur Ausstellung ins Herrenhaus Wickstadt eingeladen. (Foto: Frieda Kreis-Scheiwe)

Nun noch ein (Gedanken-)Sprung ins Herrenhaus! Herrenhaus? Ja, dorthin, nach Niddatal-Wickstadt, wo Shadi und Herwig Ganz Kunst- und Kultur-Events veranstalten, hatten sie die Förderkreis-Mitglieder eingeladen. Ein ganz besonderer Ort, wo Kevin Clarke zusammen mit dem Künstler Johannes Brus ausstellte und man noch einmal einer Reihe von Clarkes zwischen 1989 und 2022 entstandenen DNA-Porträts begegnen konnte. Schon Ende der 1990er Jahre hatte er eine Ausstellung im Museum Wiesbaden mit diesen spannenden Werken gegeben. Im Interview auf dieser Freunde-Website ist zu lesen, wann und wie der in New York geborene, in Südfrankreich und Frankfurt arbeitende Künstler auf diese geniale Idee kam und sie auch mit außergewöhnlichen Wiesbadener Menschen umsetzte. Wer weiß, vielleicht fügt er den Bildern bald eines mit der DNA des Sammlers Frank Brabant hinzu. Er, der dem Museum die Hälfte seiner Sammlung des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit schenkt, war unter den interessierten Gästen in Wickstadt – und bereit, Kevin Clarke seine DNA „abzugeben“.

Im Garten des Herrenhauses: ein ganz besonderes Erlebnis und Einstimmung auf die Bilder der Malerin Shadi Ganz. Von links: Richard Schönherz, Schauspieler Ralf Bauer und Ali Neander. (Foto: Michael Birlenbach/schnittmenge)

Kurz darauf, wieder ein Highlight im Herrenhaus – wo erneut eine Reihe von Freunden des Museums Wiesbaden anzutreffen waren: Zu „Malerei Poesie und Musik“ hatte das Ehepaar Ganz eingeladen. Shadi Ganz, Psychotherapeutin und Künstlerin, hat sich intensiv mit den Gedichten von Rainer Maria Rilke beschäftigt, dabei auch das (mit Preisen ausgezeichnete) „Rilke-Projekt“ von Schönherz & Fleer entdeckt. Sie kennen es vielleicht? Schon vor 20 Jahren hat das Musiker- und Produzententeam Rilke-Gedichte vertont und sie von prominenten Schauspielern vortragen lassen. Es wurde ein Riesenerfolg. „Ständig haben wir das gehört“, dies stellten eine Freundin und ich auf der Fahrt zur Vernissage bei Shadi Ganz fest und freuten uns über diese bislang unbekannte Gemeinsamkeit … Im Garten des Herrenhauses nun konnten wir Ausschnitte dieses Projekts mit Richard Schönherz (am Klavier) und dem Schauspieler Ralf Bauer als Sprecher erleben. Mit dabei auch Angelika Fleer. Und die Bilder zu Rilke? Es sind zahlreiche höchst ausdrucksstarke abstrakte Gemälde entstanden. Sie habe, sagt Shadi Ganz, die Musik und die dazugehörigen Gedichte in Farben und Formen umgesetzt. Wie gut ihr dies gelungen ist, kann man bis 19. August sehen – beim Besuch nach Vereinbarung. (www.art-herrenhaus.com)

„Das ist die Sehnsucht“ – eines der abstrakten Werke von Shadi Ganz zu Rilkes Lyrik. Inspirieren ließ sich die Künstlerin auch vom „Rilke-Projekt“, den vertonten, von prominenten Schauspielern und Schauspielerinnen gesprochenen Gedichten. (Foto: Shadi Ganz)

Und nun zurück in „unser“ Haus: Neulich traf ich eine ehemalige Kollegin in der Stadt. Zeit für einen kleinen Plausch auf der Straße. Auf meine Frage nach ihren Kindern erzählte die Mutter mir von Julie, der 12-jährigen Tochter. Kürzlich durfte sie erstmals ohne Erwachsenen-Begleitung, ausgestattet mit einem Taschengeld, gemeinsam mit den Freundinnen Rebecca (13) und Buket (12) in die City gehen. Sie werden shoppen, dachte sich die Mama. Weit gefehlt: Als die Tochter nach Hause kam, war sie begeistert, begeistert von ihrem ersten selbstständigen Besuch im Museum Wiesbaden. Die Natur hatte es ihr angetan, und es soll nicht der letzte Ausflug dieser Art gewesen sein, verriet Julie der Mutter … Solche Erzählungen stimmen doch froh! Ebenso wie die zwei ganz jungen Museumsgäste, mit denen wir vor kurzen für unsere 5. Staffel der Videos „Wir zeigen’s Euch – Wie Kinder Kunst und Natur sehen“ unterwegs waren. Natürlich sowohl in der Natur-Abteilung (Sie werden vieles über Schnecken erfahren!) als auch in der Kunst (Haben Sie schon den „Jugendstilizer“ ausprobiert?). In Kürze werden die Filme online gestellt. Lassen Sie sich überraschen!

Ingeborg Salm-Boost

 

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