Da stockt erst einmal der Atem

Interview mit Peter Forster

Vor der Pandemie-Zeit geplant: die Ausstellung „Bats and Saints“. Nun irgendwie bedrohlich … (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Und das in Zeiten der Corona-Pandemie: Wer nach Wiedereröffnung des Museums in den Kirchensaal geht, der trifft dort zwischen den Heiligen auf dunkle, fledermausähnliche Mischwesen, geschaffen von Jan Thomas. Atemberaubend – zumindest auf den ersten Blick. Wir sprachen mit Kustos Peter Forster über „Bats and Saints“, aber natürlich auch über „Homecoming“, die außergewöhnliche Ludwig Knaus-Ausstellung, die eventuell verlängert werden kann (siehe auch „Superstar des 19. Jahrhunderts“ und „Kunstvoll und Naturnah – Die Tochter des Künstlers“).


Wie fühlt man sich im Museum noch ohne Besucher?

Eine Traurigkeit schwingt mit, wir sind ja ausgerichtet darauf, dass die Menschen die Kunst bei uns vor Ort ansehen. Aber das muss man in dieser Situation hintanstellen. Unser Direktor Andreas Henning und Stellvertreter Jörg Daur planen und organisieren für den Tag der Wiedereröffnung. Da gibt es vieles zu beachten. Wir sind auf das „Go“ gut vorbereitet.

Die Knaus-Schau „Homecoming“ mit der „Goldenen Hochzeit“, die erstmals nach dem Entstehen in Paris und dem sofortigen Verkauf nach Amerika nun in Deutschland zu sehen ist, wurde in unserem Museum am 13. Februar eröffnet, konnte also vor der Schließung noch eine Weile besucht werden. Wie war denn bis dahin die Resonanz auf den Genremaler?

Die Resonanz war super, es kamen mehr Besucher als gedacht. Vielleicht können wir die Ausstellung verlängern – wenn denn alle Player mitmachen. Die vielen Knaus-Werke aus den USA hier zu haben, ist eine einmalige Gelegenheit, die sich so schnell nicht mehr ergeben wird. Und es ist  schon interessant, dass Amerika uns zeigt, wie wichtig Knaus ist. Übrigens war er auch ein brillanter Zeichner. Das größte Aushängeschild Wiesbadens im 19. Jahrhundert, ja, in Europa … Und er war geschäftstüchtig.

Eckhart Grohmann – der Leihgeber der „Goldenen Hochzeit“, deren Reproduktionen so begehrt waren, sowie weiterer Werke aus dem Museum des Sammlers in Milwaukee – war zur Eröffnung da. Er wollte eigentlich noch einmal während der „Homecoming“-Zeit nach Wiesbaden kommen …

Ja, Eckhart Grohmann war sehr angetan von unserer Ausstellung und der tollen Stimmung, auch bei der Eröffnung. Er wird bestimmt nochmals nach Wiesbaden kommen, wenn die Reise möglich ist. Mr. Grohmann äußerte sich sehr positiv. Überhaupt, wir bekamen von Besuchern an der ersten Tagen per E-Mail erfreuliche Reaktionen auf die Knaus-Schau.

Gehen wir vom Wiesbadener Genremaler Knaus mal in den Jugendstil. Wie geht es dieser dank Ferdinand Wolfgang Neess geschaffenen wunderbaren neuen Abteilung ohne Bewunderer?

Ich denke, nach der erzwungenen Pause werden die Menschen wiederkommen, weil sie Sehnsucht nach dem Jugendstil haben. Und das Schöne ist doch, dass man die Ausstellung immer wieder anschauen, schon wissend die Räume durchschreiten und vieles dennoch immer wieder neu entdecken kann. Übrigens, es gibt auch eine Neuheit nach der Wiedereröffnung zu bewundern, ein Plakat von Mucha.

Von Alphonse Mucha, dessen herrliche Skulptur „La Nature“ wir aus der Neess-Sammlung kennen?

Ja, das Plakat hat er für den österreichischen Auftritt bei der Weltausstellung 1900 in Paris gestaltet.

Nächste Station: Eigentlich sollte schon Ende März etwas im Kirchensaal passieren. Was verbirgt sich hinter „„Bats und Saints“? Dass es um Fledermäuse geht, die ja in Corona-Zeiten in aller Munde sind, dies war bei Konzeption der Installation von Jan Thomas sicher nicht vorhersehbar …

Nein, wirklich nicht. Mit dem Künstler habe ich jetzt alleine die Ausstellung aufgebaut. Ein solcher Aufbau ist ja bei den jetzigen Sicherheitsvorschriften nicht so leicht durchzuziehen. Also, Jan Thomas greift die Welt des Mittelalters auf mit skurrilen Figuren, wie wir sie von gotischen Bauten kennen. Er macht aus der Fledermaus ein neues Mischwesen und kombiniert sie mit den Heiligenfiguren im Kirchensaal.

Diese Fledermäuse, das sind schwarz gebrannte Keramiken?

Richtig, als ich die Objekte von Jan Thomas aus Halle vor zweieinhalb Jahren erstmals sah, da habe ich gespürt, dass dies sich gut kombinieren lässt im Kirchensaal. Und es wurde eine kleine Ausstellung geplant, die natürlich jetzt, in Corona-Zeiten, ganz anders wahrgenommen wird. Sie bekommt eine neue Eindrücklichkeit und eine Bedrohlichkeit. Da stockt dem Betrachter durchaus erst einmal der Atem. Nach Wiedereröffnung des Museums können sich die Besucher gleich davon überzeugen.

Kustos Peter Forster im Kirchensaal – umgeben von Tod (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

Klingt spannend. Wie kommuniziert man eigentlich zur Zeit im Museum miteinander, wie arbeitet es sich?

Diese Zeit ist echt heftig. Man ist gefühlt stärker noch gefordert, will ja alles, was im Museum derzeit nicht zu sehen und erleben ist, nach außen bringen. Das tun wir und machen gleichzeitig unsere „normale“ Arbeit. Es kommen auch sehr viele Anfragen zu uns Kustoden, denn die an Kunst interessierten Menschen haben mehr Zeit für Kommunikation. Viel Zeit zum Wegarbeiten, was mancher vielleicht denkt, bleibt uns da nicht. Ach ja, natürlich gibt es zur Zeit keine Konferenzen im üblichen Sinne. Das meiste wird telefonisch geklärt. Wir bemühen uns sehr, alle Vorschriften in dieser Pandemie-Zeit intern einzuhalten. – Gerne würde ich noch eine schöne Sache erwähnen.

Bitte!

Wir freuen uns, dass wir helfen können, zwei freischaffende Restauratorinnen in der Krise ein wenig aufzufangen. Die Ernst von Siemens-Kunststiftung hat ein tolles Programm aufgelegt: Danach können Museen Werke restaurieren lassen und die Arbeiten an Freischaffende vergeben. Diese werden von der Stiftung für ihre Arbeit bezahlt. Die beiden Anträge, die ich gestellt habe, wurden genehmigt. Ende des Jahres werde ich das Ergebnis präsentieren können. Mehr will ich noch nicht verraten.

Stichwort „Sehnsuchtsobjekt“ – zum Schluss die Frage: Was würden Sie denn, wenn Sie ein normaler Museumsfreund wären, als erstes  Werk nach Wiederöffnung ansteuern?

Da bin ich wieder bei Ludwig Knaus, und zwar bei dem Werk „Hoheit auf Reisen“. Das ist auch eine Leihgabe von Eckhart Grohmann und eines der spannendsten Bilder der Wiesbadener Geschichte: Es entstand, nachdem Preußen 1866 Nassau annektiert hatte. Auf einfühlsame Art ist die politische Situation dargestellt und wie die hessische Bevölkerung darauf reagiert … Und es würde mich natürlich auch dorthin ziehen, weil diese Ausstellung wirklich eine einmalige Gelegenheit ist …

Die Fragen stellte Ingeborg Salm-Boost

Vor dieses Knaus-Bild zieht es Peter Forster: „Hoheit auf Reisen“ (1867). Grohmann Museum Collection at Milwaukee School of Engineering (Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert)

PS: Ein ausführliches Online-Gespräch mit Peter Forster über Ludwig Knaus und „Homecoming“ findet man auf der Website unseres Vereinsmitglieds Jutta Szostak. Und auch in ihrer Sendung „Blaue Stunde“ bei Radio Rheinwelle 92,5 wird  am 4. Mai 2020 um 18 Uhr der Kustos der Sammlungen 14. bis 19. Jahrhundert mit Ludwig Knaus zu Gast sein. Außerdem wird die Kulturjournalistin und Moderatorin mit dem Kustos der Klassischen Moderne, Roman Zieglgänsberger, über „Lebensmenschen“ sprechen.

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